Schwerpunktthema Wiehengebirge
Das Tor zur Norddeutschen Tiefebene
Der Höhenzug - ein Überblick
Seit der Kreidezeit versperrt der Berg den Weg in die norddeutsche Tiefebene. Unser Hausgebirge ist so alt wie der Himalaya, aber doch nur „Deutschlands flachstes Mittelgebirge“. Wir haben im kleinsten Teil des Unesco-Geoparks recherchiert
Wo beginnt das Wiehengebirge, wo hört es auf? Vom Werretal aus betrachtet im Westen, irgendwo in Niedersachsen, zeitlich betrachtet wahrscheinlich vor 90 Millionen Jahren, als der italienische Stiefel gegen das europäische Festland trat, die Alpen entstanden und die norddeutsche Tiefebene Falten warf. Ganz im Osten endet das Gebirge in der Porta Westfalica. Das Kaiser-Wilhelm-Denkmal ist schon von weitem zu erkennen. Bis zu 200.000 Besucher kommen jedes Jahr zum „Willem“ und gehen über den Kammweg und durch den Wald. Genauso taten es die Menschen vor vielen Hundert Jahren. Sie alle haben Spuren im Berg hinterlassen. Das Wiehengebirge ist ein Trampelpfad der Geschichte.
Die steilen Felswände machen sichtbar, dass hier mal Muscheln im Ozean lebten, Dinosaurier, tropische Sümpfe und gewaltige Eisgletscher herrschten. Der uralte, waagerechte Boden schießt senkrecht in die Höhe. Geologen lesen darin wie in einem offenen Buch. Unsere Vorfahren haben das Gebirge deshalb auf der Suche nach Bodenschätzen durchlöchert wie einen Schweizer Käse. Mit Seilbahnen transportierten sie den Portasandstein zur Weser. Die Nazis betrieben in den Stollen heimliche Rüstungswirtschaft mit Zwangsarbeitern. Und in Zukunft? Wer weiß, vielleicht ist angesichts des Klimawandels hinterm Berg bald wieder nichts als ein großer Strand.
Die Wittekindsquelle: Sachsenkönig Widukind oder Wittekind ist vor allem ein Mythos. Sicher ist nur, dass Wittekind Karl dem Großen schwer zu schaffen gemacht hat. Um 772 und 785 bekriegten sich die heidnischen Sachsen und die christlichen Franken heftig.
Angeblich ist Wittekind erst durch das Quellwunder zum Christentum bekehrt worden: Durstig ritt der Sachsenführer übers Wiehengebirge, als sein Gaul mit den Hufen scharrte und eine Trinkwasserquelle
Klar ist: Die Franken um Karl den Großen drangen im 8. Jahrhundert tief ins Sachsenreich ein, schleiften die sächsischen Wallburgen und die heidnischen Heiligtümer. Der Herforder Bildhauer Heinrich Wefing (1854-1920) hat das Quellwunder in der Plastik „Wittekindsbrunnen“ verarbeitet. Eine Nachbildung von 1959 steht auf dem Herforder Wilhelmsplatz.
Die Krause Buche: Über die Entstehung dieses Baums, der auch Krüppelbuche oder Teufelsholz genannt wird, ist wenig bekannt. Krause Buchen haben einen krummen, verdrehten Stamm und eine schirmartige Krone. Warum sie so wachsen, ist bis heute unklar.Das Naturdenkmal in Bad Oeynhausen, so viel ist bekannt, wächst seit etwa 1920 aus der Wurzel einer älteren „Krausen Buche“, die im Juni 1952 durch einen Blitzschlag verbrannte. Schon dieser alte Baum war bereits 1928 wegen Vandalismus unter Naturschutz gestellt worden.Der Heimatverein Wöhren erklärt die Entstehungsgeschichte der „Krausen Buche“ mit einer Hinweistafel für Wanderer. Das Naturdenkmal ist eingezäunt.Der nahe gelegene Parkplatz ist für viele Einheimische der Startpunkt für einen Familienausflug ins Wiehengebirge. Hier hat auch eine private Wildnisschule mit gleichem Namen ihren Sitz.
Der Wilde Schmied: Kein Märchen, ihn gab’s wirklich. Der Schmiedegeselle Christian Friedrich Marks (1802-1881) aus Volmerdingsen arbeitete in den Steinbrüchen im Wiehengebirge. Am Kammweg, ganz in der Nähe des Steinbruchs Nottmeyer baute sich Marks eine Esse mit Amboss, eine Hütte aus Bruchsteinen und hauste als Einsiedler mit Ziege im Wald. Ein Gedenkstein an der Gaststätte „Wilder Schmied“, wo seine Behausung gestanden haben soll, erinnert daran. Der Heimatforscher Alfons Elgert hat die Lebensgeschichte von Friedrich Marks aufgearbeitet. Marks schärfte die Werkzeuge der Steinbrecher und half gelegentlich auf den umliegenden Höfen mit kleineren Reparaturen. Mehrere Ehen scheiterten, Alkohol war auch im Spiel, das Elternhaus wurde 1841 versteigert. Marks Lebenswandel war für die erweckungsbewegten Gemeinden ringsum ein steter Stein des Anstoßes. Mehrere Pfarrer empörten sich über den Junggesellen und bemühten die Obrigkeiten. Marks galt als Griesgram, Kinder, die ihn hin und wieder als Mutprobe aufsuchten, beschrieben ihn dagegen als durchaus zugewandt und freundlich. Marks ließ sich die Haare wachsen und sah bald ziemlich verwegen aus, weshalb ihn die Leute „wilder Schmied“ nannten. Über sein Lebensende wird erzählt, dass Marks in einem Steinbruch abstürzte und verletzt liegen blieb. Er wurde zwar gefunden und aufgepäppelt, verstarb jedoch bald darauf und wurde auf dem Rehmer Friedhof beigesetzt.
Die Wittekindsburg: Das Gelände rings um das 1896 gebaute Berghotel mit der Drachenfliegerrampe ist eine ziemlich alte Burganlage, die womöglich schon in der vorrömischen Eisenzeit errichtet wurde und womöglich wie die Nammer Burg und die Dehmer Burg als Rückzugsort vor kriegerischen Angreifern diente. Bei Ausgrabungen haben Archäologen festgestellt, dass die Wittekindsburg im 3. oder 2. Jahrhundert vor Christus angelegt worden ist. Die erste Wallanlage bestand aus einer hölzernen, durch senkrecht stehende Pfosten gestützten Front mit Graben.Das acht Hektar große Areal auf der Grenze zwischen Häverstädt und Barkhausen ist vollgepackt mit Geschichte. In der Wallburg gibt es außerdem eine Kapelle. Sie wird manchmal Wittekindskapelle, aber oft Margarethenkapelle genannt und wurde in Urkunden erstmals 1224 erwähnt, ist aber womöglich viel älter. Sie könnte bereits aus dem Jahr 992 stammen, als Bischof Milo von Minden auf dem Areal ein Benediktinerkloster gründete.
Außerdem liegt hier die Kreuzkirche, eine Art Familienfriedhof. Archäologen haben diese Kirche 1996/97 freigelegt und ein Frauengrab, sowie vier Kindergräber entdeckt. Baugleiche Kirchen sind aus dem 10. und 11. Jahrhundert in Prag, Krakau, Schuttern oder Trier bekannt. Die Archäologen vermuten deshalb auch hier, dass Bischof Milo von Minden (969-996) Bauherr dieser Kirche war.
Die Wittekindsquelle in der Anlage hat vermutlich sehr lange Trinkwasser für die Burganlage geliefert und wurde Mitte des 19. Jahrhunderts aufwendig restauriert. Auf einem halbkreisförmigen Relief wurde das Quellwunder Wittekinds dargestellt. 1938 versiegte die Quelle, weil die Wasserleiter womöglich durch den Eisenerzabbau im Gebirge zerschnitten worden waren.
Das Berghotel Wittekindsburg entstand mit seinem weithin sichtbaren Turm erst 1896. Der Verein „Witthüs“ restauriert die Anlage von der aus Gäste einen sensationellen Blick auf den großen Weserbogen haben.
Die nahe gelegene „Königslinde“ ist ein Naturdenkmal. Sie wurde am 23. August 1842 bei einem Besuch von Preußenkönig Friedrich Wilhelm IV. gepflanzt.
Weitere Informationen zur Anlage auf dem Wittekindsberg gibt es bei der Gesellschaft zur Förderung der Archäologie in Ostwestfalen e. V..
Drachenflieger: Die Rampe an der Wittekindsburg ist im Jahr 1986 von Mitgliedern des Deltaclubs Wiehengebirge gebaut und vom Kreis Minden-Lübbecke mitbezahlt worden. Der Verein startet hier unter anderem Streckenflüge. Vereinsmitglieder sollen schon mit dem Drachen in Hamburg, den westfriesischen Inseln und Dänemark gelandet sein. Die Thermik am Südhang hat Sportler auf bis zu 2.300 Höhenmeter gepustet. Den längsten dokumentierten Flug hat Vereinsmitglied Bernd Otterpohl geschafft. Er flog im Jahr 2011 laut seinen eigenen elektronischen Ortungsdaten in knapp fünf Stunden von der Wittekindsburg 232 Kilometer bis Schwerin.
Der Flugbetrieb wird von März bis Oktober von dem Verein organisiert. Einzelflieger haben keine Chance auf eine Startgenehmigung. Die Drachenflieger treffen sich stets auf dem Sonderlandeplatz am Fuß des Wiehengebirges und fahren dann in Fahrtgemeinschaften zur Wittekindsburg hinauf.
Der Moltketurm: Von der Aussichtsplattform in 13,9 Metern Höhe ist leider nicht viel zu sehen außer Baumwipfeln. Der Turm wurde 1829 auf dem höchsten Punkt des Wittekindbergs errichtet. Früher soll man von hier wunderbar auf den großen Weserbogen geschaut haben. Ein Aufstieg lohnt sich heute nur für schwindelfreie Freunde des Treppensteigens ohne Platzangst. Der Bau geht auf eine Idee des Obergeometers Johann Jacob Vorlaender (1799-1886) zurück und sollte als Signalpunkt erster Ordnung für die Landesvermessung auf dem Wittekindsberg dienen. Bezahlt wurde der Turm unter anderem von Heinrich-Ludwig Schuhmacher (1779-1856) von Gut Wedigenstein. Als Baumaterial diente Portasandstein aus dem Wiehengebirge. 1906 wurde der Turm zu Ehren von Generalfeldmarschall Helmuth Karl Bernhard von Moltke (1800-1891) umbenannt. Die Gemeinde Barkhausen erwarb den Turm 1941 für eine Reichsmark.
Der Willem: Das Wahrzeichen über der Porta Westfalica wird von Touristen gerne mal mit dem Hermannsdenkmal in Detmold verwechselt. Doch selbst Einheimische wissen oft nicht, welcher Kaiser Wilhelm denn nun unter dem mächtigen Baldachin die Hand zum Gruß erhebt. Es ist Wilhelm I (1797-1888).
Das Denkmal wurde 1892 bis 1896 gebaut. 833.000 Goldmark war der westfälischen Provinzialregierung die Huldigung des vier Jahre zuvor verstorbenen Kaisers wert.
Die sieben Meter große Bronzestatue entwarf der westfälische Künstler Caspar von Zumbusch. Die Architektur, eine 88 Meter hohe Orgie aus Portasandstein, erdachte sich Baumeister Bruno Schmitz. Sie hielt selbst einer Sprengung der Stollen durch die Briten im Jahr 1946 weitgehend Stand.
Inzwischen gehört das Denkmal dem Landschaftsverband Westfalen-Lippe. Und der steckt seit Mai dieses Jahres 12,4 Millionen Euro in eine umfassende Sanierung und eine völlig neu konzipierte Ausstellung, in der nicht nur die Familiengeschichte der Hohenzollern dargestellt werden soll, sondern auch ein Vergleich zu zeitgenössischen Monumentaldenkmälern angestrengt wird, etwa zum Denkmal des „großen Führers“ Kim Il-Sung im nordkoreanischen Pjöngjang. Erstmals soll in der neuen Ausstellung auch an die Zwangsarbeit in den Stollen im Wiehen- und Wesergebirge und in den unterschiedlichen Konzentrationslagern Porta Westfalicas erinnert werden.

Schatzkammer der Erdgeschichte
Das Mittelgebirge ist ein fruchtbares Forschungsfeld für Geologen und Paläontologen. Hier wurde auch der größte Raubsaurier Deutschlands entdeckt, der „Wiehenvenator“
Es erwischte den Riesenräuber womöglich beim Strandspaziergang. Der „Wiehenvenator albati“ war vor 163 Millionen Jahren dort unterwegs, wo heute das Wiehengebirge liegt. Damals war die Gegend Küstenregion, von Sumpfwäldern gesäumt. Kieferknochen, Rippen und Wirbel des Dinos fanden sich 1998 in der Nähe der Lutternschen Egge. Erst 18 Jahre später fanden Forscher heraus: Dies ist die größte bisher in Deutschland bekannte Raubsaurierart. Eine wissenschaftliche Sensation.
Das Wiehengebirge ist eine Schatzkammer für Forscher. Zu denen, die sich schon seit Jahrzehnten mit der Geologie und der Paläontologie, der Erforschung frühzeitlicher Lebensformen, befasst, gehört Rainer Ebel. „Das war schon der spektakulärste Fund im Wiehengebirge“, urteilt der 72-Jährige über den Raubsaurier, der wissenschaftlich „Wiehenvenator albati“ heißt, eine Kombination aus Wiehenräuber und dem Nachnamen seines Finders, Friedrich Albat. Im Volksmund aber heißt die acht bis zehn Meter lange und zwei Tonnen schwere Echse nur „Monster von Minden“.
Das Monster lebte zwar dort, wo heute das Wiehengebirge steht. Aber lange, bevor das Gebirge überhaupt entstanden ist. Damals war hier die Nahtstelle zwischen Land und Meer. Ein Bereich, der oft wieder überflutet wurde und dann wieder trocken fiel.
In dieser Epoche, dem Erdzeitalter des Jura, entstanden auch die beiden wesentlichen Gesteinsschichten, die heute das Wiehengebirge prägen. Vor etwa 165 Millionen Jahren entstand zum einen eine etwa 40 Meter starke Tonschicht, Ablagerungen, die früher Meeresgrund waren. Zum anderen entstanden aus den Landmassen die Schichten des Porta-Sandsteins.
Erstaunlicherweise entdeckte Albat die Überreste des Mindener Monsters in den Tonschichten des Wiehengebirges. „Möglich, dass die Echse ins Meer gespült wurde“, überlegt Ebel. Das würde erklären, warum in diesen Schichten, in denen sich ansonsten geradezu massenhaft Reste von Meerestieren wie Schwimmsauriern, Krokodilen, Fischen, Seeigeln und Ammoniten finden, plötzlich auch Knochen eines Landtieres befanden.
Aufgefaltet zum Gebirge wurde das Gelände erst fast 100 Millionen Jahre nach dem Wiehenräuber. Am Ende des Jura, zum Beginn der Kreidezeit, wurde die Erdkruste durch Bewegungen der Erdplatten angehoben. Hier wirkten dieselben Kräfte, die auch für die Entstehung der Alpen verantwortlich waren.
Palm- und Baumfarne und Riesenschachtelhalme prägten damals die sumpfigen Wälder der Küstenregion. Auch deren Abdrücke finden sich in den Gesteinsschichten des Wiehens. Zu Ebels bevorzugten Fundorten zählt der Steinbruch in der Wallücke, der früher der Löhner Familie Störmer und inzwischen dem Portaner Recyclingunternehmen Müller gehört. „Hier gibt es eine Abbruchwand, in der die Zeit des oberen Jura fast komplett zu sehen ist“, sagt Ebel. „Diese Wand ist inzwischen als Bodendenkmal geschützt und muss unbedingt erhalten bleiben“, mahnt der Hobby-Paläontologe, der im Hauptberuf Arzt war.
Ein wahrhaft einschneidendes Ereignis bei der Gestaltwerdung des Wiehengebirges setzte zum Ende der Saale-Eiszeit ein. Als vor 125.000 Jahren das Inlandeis schmolz, gab das Schmelzwasser der Weser einen neuen Lauf. Und die bahnte sich ihren Weg durch das Gebirge: Die Porta Westfalica, die Westfälische Pforte, war geboren.
Sie wurde denn auch Namensgeber für einen beliebten Rohstoff, der im Wiehengebirge abgebaut wurde, den Porta-Sandstein. „Der schönste Sandstein in Deutschland“, ist Ebel überzeugt. Schon um 850 wurde der Mindener Dom aus Porta-Sandstein errichtet. „Der Stein eignet sich hervorragend für dicke Mauern. Er wurde in Kirchen und Schlössern, Brücken und Denkmälern verbaut“, sagt Ebel. Er hat allein 80 romanische Kirchen in Norddeutschland dokumentiert, die aus Porta-Sandstein bestehen. Der Abbau des Steins wurde um 1952 eingestellt.
Zweiter Rohstoff, den das Wiehengebirge lieferte, war Eisenerz. Das metallhaltige Gestein lagerte sich vermutlich in Senken am Meeresgrund in rund 1,20 Meter dicken Schichten ab. Um das Erz zu transportieren, wurde eigens eine Kleinbahn gebaut. Der „Wallücker Willem“ fuhr von 1897 bis 1937 zwischen der Wallücke und Kirchlengern.
Für ihn als Forscher sei das Wiehengebirge etwas „ganz Wunderbares“, sagt Ebel. „Hier kann man Erdgeschichte und Evolutionsgeschichte parallel betrachten.“

Neues Leben in der Wittekindsburg
Das traditionsreiche Ausflugslokal wird von Mitgliedern
des Vereins Witthüs zu einem Veranstaltungszentrum umgebaut
Die Jägerstube ist schon fertig eingerichtet, im Schankraum fehlen nur noch der Kamin und die Bestuhlung. „Wir machen dieses Jahr keine Winterpause“, verspricht Martin Möller. Bald können Gäste Kaffee und Kuchen, Bratwürstchen und kühle Getränke nicht nur auf der Außenterrasse, sondern auch im Innern der Wittekindsburg genießen. Der Präsident des Vereins Witthüs erfüllt das traditionsreiche Ausflugslokal mit neuem Leben: „Hier soll ein Veranstaltungszentrum für Seminare und Familienfeiern entstehen.“
Seit rund 120 Jahren steht das Gebäude auf dem Gelände der Fliehburg in rund 230 Metern Höhe. Über Jahrzehnte gehörte die Gastwirtschaft mit Hotelbetrieb neben dem Kaiser-Wilhelm-Denkmal und dem Wilden Schmied zu den bekanntesten Ausflugszielen in der Region. Unzählige Wanderer machten hier Rast, genossen dabei den freien Blick auf die Weser und den gegenüberliegenden Jakobsberg. „Ich habe hier meine Kindheit verbracht“, fügt Martin Möller eine persönliche Erinnerung hinzu. Sein Elternhaus steht in Häverstädt, nur wenige hundert Meter entfernt. Unzählige Stunden hat er mit seinen Freunden im Wald rings um die Gaststätte gespielt, den Drachenfliegern zugeschaut und später auch mal eine Cola auf der Terrasse getrunken.
Vor zwei Jahren kehrt er nach jahrelanger beruflich bedingter Abwesenheit in die Heimat zurück, will seiner Frau den Lieblingsort seiner Kindheit zeigen und „ist völlig erschrocken“. Es riecht muffig, die geblümte Tapete an den Wänden wellt sich, seit Jahren wurde nichts mehr investiert, der Eigentümer bietet das völlig heruntergewirtschaftete Gebäude nun zum Verkauf an.
„Ich bin immer auf der Suche nach neuen Herausforderungen“, beschreibt Möller seine Motivation, gleich nach seinem Besuch in der Wittekindsburg in die Verhandlungen einzusteigen. Die gestalten sich schwieriger als gedacht, führen aber zu einem Ergebnis: Im Frühjahr 2015 wird Möller, der als selbstständiger Veranstaltungstechniker mit der Organisation von Großveranstaltungen sein Geld verdient, neuer Eigentümer der Wittekindsburg. „Aber nicht allein“, schränkt der 41-Jährige ein. Es ist ihm gelungen, auch Freunde und Verwandte für seinen Traum, das Gemäuer auf dem Wittekindsberg zu beleben, zu begeistern. Sie gründen den Verein Witthüs, lassen ihn erst ins Vereinsregister und dann im Frühjahr 2015 ins Grundbuch eintragen.
Entrümpeln ist der erste Schritt, mehr als 40 Mulden werden im Laufe der nächsten Monate gefüllt. Offenbar war schon jahrelang nicht mehr richtig geheizt worden, die Einrichtung in den 16 Hotelzimmern war zum größten Teil verschimmelt. „Die Entsorgung der Betten war ekelhaft“, erinnert sich Möller. Die landen ebenso auf dem Müll wie die abgewohnten Teppiche und die vergammelten Tapeten. „Wir müssen schnell zusätzliche Einnahmen erzielen“, sind sich die Vereinsmitglieder einig. Vorrangig wird deshalb die Terrasse saniert, um dort eine Außengastronomie anzubieten. Der bestehende Pavillon wird renoviert, erhält eine moderne Ausstattung mit Kaffeemaschinen und Kuchentresen. Während überwiegend weibliche Mitglieder donnerstags bis sonntags für die Bewirtung sorgen, beginnen die Männer mit der Sanierung im Gebäudeinneren.
Wenig später machen sich Möller und seine Mitstreiter an die Arbeit. „Möglichst viel selbst machen“ lautet die Devise. Denn auch wenn dem Verein mittlerweile über 100 Mitglieder angehören, reichen Beiträge und Spenden nicht für große finanzielle Investitionen.
Und entdecken dabei weitere versteckte Baumängel. Im großen Saal wurden die Balken unsachgemäß verkürzt, für den Turm bestand Einsturzgefahr. Die ist mittlerweile – auch dank professioneller Unterstützung durch einen Statiker – beseitigt. In Kürze wird das Baugerüst demontiert, da der Turm mittlerweile kurz vor Fertigstellung stellt. Der größte Teil der Gelder sind durch die Adhoc-Spenden-Aktion „Rette Deinen Turm mit Deinem Euro“ aus der Bevölkerung zusammengekommen.
Das Gebäude steht unter Denkmalschutz – auch das erschwert die Renovierung. Außerdem muss der Brandschutz gewährleistet sein. „Der bürokratische Aufwand ist frustrierend“, bilanziert Möller. Immerhin ist das Brandschutzkonzept jetzt fertig, Möller rechnet in Kürze mit der Genehmigung, die dann auch den Weg frei macht für weitere Umbauten im Haus.
„Wanderzimmer“ sollen im ersten Obergeschoss entstehen. Einfache Zimmer mit Etagenduschen, weil, so Möller, der Einbau einzelner Bäder viel zu teuer werden würde. Für die zweite Etage hat er hingegen eine Möglichkeit gefunden, auch anspruchsvollere Gäste zu beherbergen. Fünf Vereinsmitglieder wollen je ein Zimmer auf eigene Kosten renovieren und sie dann dem Verein zur Vermietung zur Verfügung stellen.
„Wir arbeiten ohne Zeitdruck“, betont Möller, wohl wissend, dass das den ehrenamtlichen Einsatz der Mitglieder erleichtert. Die kommen zwar fast täglich nach Feierabend auf die Baustelle, haben sich aber durchaus auch im Sommer einige Wochen Pause gegönnt. Um nun mit neuem Schwung anzupacken und auch den großen Festsaal der Wittekindsburg in neuem Glanz erstrahlen zu lassen. Mehr Infos zur Wittekindsburg gibt es unter www.DieWittekindsburg.de und www.DeineBurg.de.

Verschollen im Stollen
Unter der Erdoberfläche durchziehen kilometerlange Tunnel den Berg zwischen Porta Westfalica und Lübbecke
Lediglich einzelne Betonfundamente, vermauerte und vergitterte Schachteingänge sind es, die heute noch auf ein bewegtes Kapitel des Wiehengebirges hindeuten. Und obwohl die Spuren mittlerweile kaum mehr sichtbar sind, florierte bis in die 1960er Jahre zwischen Porta Westfalica und Lutternscher Egge der Bergbau. Abgebaut wurde neben Schwefelkies, Kalkstein und Porta-Sandstein vor allem Eisenerz. „Der ganze Berg ist hohl“, sagt Horst Brönstrup vom Arbeitskreis für Heimatpflege der Stadt Bad Oeynhausen.
Die Anfänge des Bergbaus im Wiehengebirge waren noch zaghaft: Etwa Mitte des 18. Jahrhunderts begann hier die Förderung – zunächst nur vereinzelt und noch ausschließlich über Tage. Ein Jahrhundert später, ab 1856, wurde mit Gründung der „Porta Westfalica Actien-Gesellschaft für Bergbau und Hüttenbetrieb“ in Porta Westfalica ein Hochofen in Betrieb genommen – und Bergleute begannen damit, Gestein unter dem heutigen Standpunkt des Kaiser-Wilhelm-Denkmals, bei Bergkirchen und in der Wallücke abzubauen.
Ziel der Grabungen war das zwischen ein und zwei Meter starke Wittekindsflöz. Es verläuft auf einer Länge von rund 15 Kilometern durch den Berg zwischen der Porta Westfalica und Nettelstedt und führt eisenhaltiges Gestein. Bemühungen, das Flöz abzubauen, waren zunächst nur mäßig erfolgreich: „Die Qualität des Erzes war nicht sehr gut“, sagt Brönstrup. Neben den minderwertigen Erträgen sorgte der Mangel an Material und Sprengstoff sowie an fachkundigem Personal dafür, dass der Betrieb während des Ersten Weltkriegs zum Erliegen kam.
Erst unter den Nationalsozialisten rückte der Erzabbau im Wiehengebirge im Zuge der Autarkie-Bestrebungen wieder in den Fokus. Für die Förderung wurden zwei kilometerlange unterirdische Stollen der Länge nach durch den Berg geschlagen: die Weser- und die Häverstädter Stollensohle auf einer Höhe von 50 und 160 Meter über Normal-Null. In beiden Stollen verkehrten Grubenbahnen. Über Förderstollen wurden Erz und Abraum aus dem Berg befördert. Von der weiter nördlich im Berg gelegenen Weserstollensohle führte der rund 700 Meter lange Peckelohstollen auf das heutige Potts-Park-Gelände, ein zweiter Stollen, der 700 Meter lange Weserstollen, mündete in Richtung Süden unter der heutigen B61. Von der höher gelegenen Häverstädter Stollensohle nahe des Kammweges wurde das Gestein über den Dützer Stollen, den Wittekindstollen und den Häverstädter Stollen aus dem Berg befördert. Am Ende des Wittekindstollens existierte eine Seilbahn, mit deren Hilfe das Gestein zur rund 200 Meter tiefergelegenen heutigen Bundesstraße befördert wurde.
„Zunächst hat man in den einfach erschließbaren Gebieten abgebaut – danach in aufwendigeren Tiefbau-Sohlen“, sagt Brönstrup. Neben den Förderschächten durchziehen zahlreiche sogenannte Wetterschächte den Berg, die die Belüftung des Stollensystems sicherstellten. Nach dem Krieg wurde noch bis Mitte der 1960er Jahre weiter abgebaut. Brönstrup: „Irgendwann war dann Schluss mit der Rentabilität.“
Heute sind die Öffnungen größtenteils verschlossen, einige alte Eingänge wurden für den Naturschutz zu Fledermaushöhlen umfunktioniert. Sieben Anlagen im Wiehen- und im Wesergebirge werden durch Erwin Mattegiet und die Arbeitsgruppe Natur- und Umweltschutz Bad Oeynhausen regelmäßig kontrolliert. Die Eingänge befinden sich unter anderem nahe der Wallücke, der Lutternschen Egge und des Wilden Schmieds, auch der Denkmal- und der Weserstollen bieten den Fledermäusen in der Winterzeit Unterschlupf.

Als der Kaiser an die Porta kam
Vor 120 Jahren wurde das Kaiser-Wilhelm-Denkmal eingeweiht. Bejubelt von 20.000 Schaulustigen verließ Ehrengast Kaiser Wilhelm II. dennoch frühzeitig das Fest
Es muss ein prächtiges Fest gewesen sein, als am 18. Oktober 1896 das Denkmal zu Ehren Kaiser Wilhelm I. hoch über der Porta Westfalica eingeweiht wurde. 20.000 Besucher kamen und bejubelten den neuen Prunkbau, für dessen Eröffnung Kaiser Wilhelm II., Enkel von Wilhelm I., höchstpersönlich angereist war. Heute hat die Monarchie – zumindest in Deutschland – längst ausgedient. Und dennoch lockt das Denkmal die Besucher an, ist einer der zentralen Freizeitziele der Region und markante, von weitem sichtbare Ortsmarke zugleich.
Der Zeitgeist: Die Industrielle Revolution, der Sieg gegen Frankreich, die Gründung des Deutschen Reichs – „man war wieder was in der Welt, es ging aufwärts“, sagt Herbert Wiese, Ortsheimatpfleger von Hausberge und Vorsitzender des Vereins Naturschutz und Heimatpflege Porta. Groß war der Stolz auf den erreichten Aufschwung und die Einigung des Landes. „Der nationale Gedanke nahm geradezu religiöse Züge an – in diesem Zuge gab es auch die Verehrung Wilhelm des I. in einem Maße, den wir heute innerhalb einer Demokratie kaum mehr nachvollziehen können“, sagt Wiese.
So war bereits wenige Tage nach dem Tod Wilhelms I. der Plan entworfen worden, dem Verstorbenen Staatsoberhaupt ein Denkmal zu errichten. „Mehrere Ort waren in der näheren Auswahl, in Endeffekt ging es um eine Abstimmung zwischen Hohensyburg bei Dortmund und der Porta Westfalica“, sagt Wiese. Ein knappes Rennen: Der Standort Porta Westfalica gewann bei der finalen Abstimmung mit 43 zu 36 Stimmen gegen die Ruhrberge.
Der Bau: Im März 1889 stellte der Provinziallandtag 500.000 Mark (heute rund drei Millionen Euro) zur Errichtung eines Denkmals an der Porta Westfalica zur Verfügung. Zur Summe addierte sich die beachtliche Spendensumme von 330.000 Mark. Architekt Bruno Schmitz setzte sich mit seinem Denkmals-Entwurf durch, hatte er sich doch bereits durch den Bau des Kyffhäuser-Denkmals und des Kaiser-Denkmals am Deutschen Eck einen Namen gemacht.
Allerdings sprengte sein Entwurf mit geschätzten Kosten in Höhe von 1,45 Millionen Mark den Rahmen der vom Landtag bewilligten Summe bei weitem. Trotz Protests des Architekten wurde beschlossen, Kompromisse einzugehen. Das Denkmal wurde 10 Meter weiter rückwärts dem Berghange entgegen versetzt. Außerdem wurden Einsparungen bei den Mauern der Ringterrasse sowie beim rückwärtigen Hallenumgang vorgenommen. Für den Entwurf der Kaiserfigur wurde Kaspar von Zumbusch aus Wien engagiert.
In den Jahren 1891/92 begann der Bau der 2,5 Kilometer langen Kaiserstraße , um den Transport von Material und später auch von Besuchern aufwärts zum Denkmal zu sichern. Es wurden Grundstücke erworben, im September 1892 wurde mit den eigentlichen Arbeiten am Denkmal begonnen. „Der Sandstein für den Bau wurde direkt unterhalb des Denkmals gewonnen“, sagt Wiese. In Handarbeit. Rund vier Jahre vergingen von der Grundsteinlegung bis zur Fertigstellung. Wiese: „Die technischen Möglichkeiten waren sehr beschränkt.“
Die Figur: Das Denkmal besteht aus drei Teilen: Die untere Ringterrasse, die Inschriftfläche, von der rechts sowie links Treppen hinauf zum dritten Teil, dem 51 Meter hohen Baldachin führen. In dessen Mitte befindet sich der Sockel, auf dem die Kaiser-Figur steht. „Die alte Darstellung soll wohl die väterliche Güte des Kaisers symbolisieren“, sagt Wiese. „Der Lorbeerkranz ist das Symbol der Sieger – in diesem Fall ist Wilhelm I. derjenige, der den Sieg errungen hatte, der zum Deutschen Reich führte.“ Gekleidet ist der Kaiser mit einem ledernen Kürass. „Das ist eine Art Schutzpanzer“, sagt Wiese. „Dann hat er hohe Schaftstiefel, hat die eine Hand auf einem Pallasch, einer besonderen Schwertart, gestützt.“
Über den Schultern hängt der Krönungsmantel. Auffallend ist das hohe Alter, in dem der Kaiser abgebildet ist. „Das hat etwas Väterlich-Gütiges“, sagt Wiese. Über die Intention der ausgestreckten rechten Hand des Kaisers existieren verschiedene Theorien. Durchgesetzt hat sich jene einer segnenden Geste – bezogen auf das westfälische Land.
Die Einweihung: Zur Einweihungsfeier am 18. Oktober 1896 war Kaiser Wilhelm II. höchst persönlich geladen. „Eine minuziös durchgeplante Veranstaltung“, sagt Wiese. In einer Kutsche wurde der Kaiser von Minden aus hinauf zum Denkmal transportiert. „Es gab eine ganz genaue Abfolge, an welchen Stellen welche Gruppierung dem Kaiser zujubeln durfte oder sollte oder musste“, sagt Wiese. Oben am Denkmal durften dem Kaiser ausschließlich geladene Gäste entgegenjubeln. 1.300 Posaunenbläser sorgen für die gebührende musikalische Untermalung, zum Essen wurde Kalbsrücken, Steinbutt, Gäseleberpastete und Fürst-Pückler-Eis gereicht. „Alles war gut eingerichtet, aber der Kaiser hielt es für wichtiger, wieder zu fahren“, sagt Wiese. Der eigens für ihn errichtete Pavillon blieb leer, die Gäste mussten stellvertretend für den Landesvater mit der Gesellschaft einer Büste vorlieb nehmen.
Der Umbau: Derzeit lässt der Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) das Kaiser-Denkmal aufwendig sanieren und aufwerten. Auf Höhe der Ringterrasse soll ein Besucherzentrum entstehen. „Das wird sowohl historische als auch geologische und botanische Aspekte berücksichtigen“, sagt Wiese. Auch ein Gastronomiebereich, öffentliche Toiletten und ein neuer Parkplatz werden gebaut. Insgesamt rund 12,38 Millionen Euro investiert die Westfälisch-Lippische Vermögensverwaltungsgesellschaft, eine Tochtergesellschaft des LWL. „Ich verspreche mir eine deutlich erhöhte Besucherzahl“, sagt Wiese. Rund 150.000 Besucher kommen derzeit jährlich zum Denkmal. Laut Insider-Schätzungen würde sich diese Zahl nach der Sanierung mehr als verdoppeln.

Unterwegs mit dem Förster
Forstamtsleiter Franz Stockmann schwärmt von der einzigartigen Mischung aus ungewöhnlicher Flora und Fauna und historischen Stätten zwischen Porta und Bergkirchen
Der Förster hat nicht nur ein Herz für Bäume, sondern auch ein Händchen für Tiere. Beherzt greift Franz Stockmann, Chef des Regionalforstamtes in Minden, in den hohlen Baumstumpf, oben auf dem Kamm des Wiehengebirges. „Schaun Sie mal, reiner Humus“, sagt Stockmann und hält dem Redakteur eine Handvoll Erde unter die Nase. Erde, die sich bewegt: Eine Erdkröte schaut die beiden Störenfriede ärgerlich an.
Die Kröte (Bufo bufo) hat sich mächtig angestrengt, um hierher zu kommen. „Die hat sicherlich unten an der Weser gelaicht und ist dann den Berg hinaufgekraxelt“, vermutet Stockmann. Das tun nicht nur Kröten: Bei Spaziergängern und Wanderern ist die Strecke zwischen Porta-Denkmal und Lutternscher Egge äußerst beliebt. Und auch beim Förster. „Die 1.000 Meter westlich des Kaiserdenkmals sind die interessantesten 1.000 Meter Wald, die wir in NRW haben“, sagt Stockmann. Und zwar aus historischer, geologischer und forstlicher Sicht.
Die erste Ungewöhnlichkeit ist dabei für den Spaziergänger nicht zu erkennen. Aber: Der Wald auf dem Wiehengebirge hat unglaublich viele Besitzer. „Vom Jakobsberg in Porta bis nach Preußisch Oldendorf haben wir etwa 8.000 Hektar Wald, die 5.000 Eigentümern gehören“, erläutert der Forstamtsdirektor. Diese Struktur geht zurück auf die Markenteilung des 18. Jahrhunderts. Der preußische Staat habe damals den Grundsatz verfolgt, dass jeder Bauer etwas vom Guten und etwas vom Schlechten des Waldes haben sollte, so Stockmann. Und so wurde der Berg in schmale, lange Streifen aufgeteilt, die jeweils vom Kamm bis zu einem Fußende des Berges reichen.
Die Eigentümer haben sich dann in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts zu Genossenschaften zusammengeschlossen, insgesamt 27 Verbände. „Das ist was ganz Verrücktes. Das gibt es nur hier in OWL“, sagt Stockmann.
„Buchen-Niederwald“ nennt der Forstfachmann diesen Bewuchs. Der daher rührt, dass die Bauern diesen Wald über zwei Jahrhunderte als Brennholz-Lieferanten nutzten. Immer wieder wurden die Buchenstämme abgeschnitten und zu Feuerholz verarbeitet. „Bis in den 1950er-Jahren das Ölzeitalter anbrach“, sagt Stockmann.
Deutliche Spuren hat die Nutzung des Waldes hinterlassen. Der Wald am Wiehen ist geprägt von Buchen. „Sie machen rund 70 Prozent des Bestandes aus“, weiß der Förster. Es sind aber keine säulengerade gewachsenen Hochstämme, die hier in den Himmel wachsen. Sondern oft verknotete Stämme, meist mehrere, die aus einer Wurzel sprießen.
Stockmann zeigt an einem knorrigen Stamm die Folgen. 90 Prozent des Holzes hier im Wiehengebirge taugen immer noch nur als Brennholz. „Es hat einen niedrigen Preis“, sagt Stockmann, „aber einen hohen Wert.“ Nämlich: einen ökologischen. Davon zeugt die Erdkröte ebenso wie Rehe und Wildschweine, Hasen, und Fasane, Hirschkäfer und der rote Milan sowie viele Fledermausarten, die sich hier im Wiehengebirge wohlfühlen. Und die Teilen des Gebirgszuges auch den Status als FFH-Gebiet (Fauna-Flora-Habitat) eingebracht hat, eine besondere Schutzklasse für Gebiete mit gefährdeten Tier- und Pflanzenarten.
Spektakulär seien auch die Blütenteppiche aus Lerchensporn, Waldmeister, Salomonsiegel oder Aronstab, die im Frühjahr von Mitte April bis Mai den Waldboden bedecken, sagt Stockmann. Dazu kommen eine Reihe historisch interessanter Bauten in dem Waldstück, angefangen beim Kaiser-Wilhelm-Denkmal über Moltketurm und Wittekindsburg bis hin zu den Fundamenten der mittelalterlichen Margarethen-Kapelle.
Es ist dieses Gesamtpaket, das das Wiehengebirge hier so einzigartig macht. Aber auch so anziehend für Touristen. 100.000 kommen pro Jahr hierher. Sind die nicht eine Belastung für die Natur? „Man sollte solch ein Kleinod nicht vor den Menschen verstecken“, sagt der Forstamtsleiter. „Aber man sollte den Wald auch nicht zu einer Krawallbude machen.“
Bufo bufo blinzelt. Vermutlich zustimmend.

Erholungsort und Rennstrecke
Für Drachen- und Segelflieger ist das Wiehengebirge ein echtes El Dorado. Aber auch Läufer, Wanderer und Radfahrer erfreuen sich an den Sport- und Freizeitmöglichkeiten
Drachenfliegen, Segelfliegen, Mountainbiking: Den Freizeitaktivitäten am Wiehengebirge sind kaum Grenzen gesetzt. Denn neben den drei Extremsportarten kommen auch Wanderer, Läufer und Naturfreunde voll auf ihre Kosten. Eine kleinen Überblick über die umfassenden Sport- und Freizeitmöglichkeiten bietet die folgende Zusammenstellung:
Drachenfliegen: Von der Rampe Wittekindsburg starten die Drachenflieger auf einer Höhe von 200 Metern in den Hangaufwind des Wiehengebirges. Getragen wird der Pilot dabei von einem motorlosen Luftsportgerät, in das er bäuchlings unter der Tragfläche mit speziellen Gurten angeschnallt wird. Gesteuert wird ein klassischer Hängegleiter durch Gewichtsverlagerung, indem sich der Pilot an der Trapezstange in die ein oder andere Richtung des Flügels schiebt. „Das ist das Faszinierende am Drachenfliegen. Du fliegst ganz alleine aus eigener Kraft“, erklärt Pilot Ulrich Hoffmann.
Neben dem Fußstart an der Burg gibt es bei Ost- und Westwind zudem die Möglichkeit eines UL-Starts. Hierbei werden die Drachenflieger mit einem Ultra-Leicht Flugzeug in die Luft geschleppt. Um Unfälle zu vermeiden, gibt es an Wochenenden und Feiertagen Startleiter, die den Startlauf koordinieren und den Luftraum im Blick haben. Zudem besitzt jeder Pilot einen Rettungsfallschirm für Probleme im Flug. „Der kommt glücklicherweise aber fast nie zum Einsatz“, berichtet Reinhold Jahnke.
Der PR-Verantwortliche des Delta-Club-Wiehengebirge betont außerdem, dass regelmäßigen Starts der Drachenflieger an der Rampe nichts mehr im Wege stehe. Ein zwischenzeitliches Startverbot, das die Drachenflieger im Frühjahr des Jahres beeinträchtigte, sei nun endgültig vom Tisch. „Es waren viele Missverständnisse dabei. Mittlerweile haben wir uns zusammengesetzt und uns vernünftig ausgetauscht. Insgesamt profitieren wir ja alle voneinander.“ Weiteren Starts steht dementsprechend nichts im Weg.
Wildnispädagogik: Am Parkplatz Krausebuche können in erster Linie Kinder und Jugendliche aber auch Erwachsene der Natur ein Stück näher kommen. „ Unser Ziel ist es, die Kinder wieder rauszubekommen und weg von den Computern und den Spielkonsolen“, erläutert Dana Schulz. Gemeinsam mit vier Kollegen bietet sie in der Waldstation Krause Buche Kurse an, in dessen Vordergrund die Wildnispädagogik steht.
„Wir haben zum Beispiel einen Kurs, der sich mit dem Überleben in der Wildnis beschäftigt und einen Messerbau-Tag, bei dem auf traditionelle Weise dieses Werkzeug hergestellt wird“, sagt Schulz. Die Materialen, die für die jeweiligen Kurse benötigt werden, sammeln die Teilnehmer selbst. „Wir basteln viel und wollen die handwerklichen Fähigkeiten unserer Teilnehmer schulen“, betont Schulz. Gleichzeitig spielen die vier Elemente – Wasser, Feuer, Luft und Erde – immer eine übergeordnete Rolle.
Laufen und Nordic Walking: Eher lokale Bedeutung hat das Gebirge für Jogger, die die Steigungen auf den Waldwegen für ein Intervalltraining nutzen. So ist es bei normalen Lauftempo und gezielter Streckenauswahl im Bereich um Lübbecke durchaus möglich, innerhalb von zwei Stunden rund 800 Höhenmeter zu absolvieren. Dort findet zudem der jährliche Wartturmlauf statt, der in der Lübbecker Innenstadt beginnt und endet. Der Wartturm auf dem Wurzelbrink markiert dabei die Wendemarke des knapp zehn Kilometer langen Volkslaufes. Neben dem Wartturmlauf veranstaltet die TG Werste zudem den Wittekindslauf, der am Kaiser-Wilhelm-Denkmal startet und nach 90 Kilometern in Osnabrück beendet ist.
Weiterhin hat sich das Wiehengebirge zu einem Nordic-Walking-Gebiet entwickelt. In Rödinghausen gibt es einen Nordic-Walking-Park mit drei unterschiedlich langen Strecken, und auch in anderen Orten wie in Bad Holzhausen und in Lübbecke finden regelmäßige Nordic-Walking-Treffs statt.
Radfahren und Mountainbiking: In den vergangen Jahren haben sich im Wiehengebirge außerdem viele Mountainbike-Strecken herausgebildet. Zwar ist das Gebirge vergleichsweise niedrig, aber vor allem der östliche Teil bietet anspruchsvolle Passagen und Rundkurse. Der gemeinnützige Verein Terra.vita hat zudem Wegweiser für Abenteuerradtouren veröffentlicht, die durch das Gebirge führen. Hauptsächlich die fünfte und die sechste Tour des 17-teiligen Wegweisers vermitteln dabei einen umfassenden Eindruck über die landschaftliche Vielfalt des Wiehengebirges. „Die Tour sechs ist dabei halbwegs gemäßigt, während die fünfte Tour sehr anspruchsvoll ist“, erklärt Timo Kluttig, der im Verein für die Fahrradinfrastruktur zuständig ist. Vor allem die knackigen und steilen Anstiege seien nichts für Radfahranfänger. „Insgesamt haben wir mit den Terra trails versucht, die Leute für die Natur zu begeistern. Dabei kombinieren wir das Radfahren mit den vielen Sehenswürdigkeiten des Wiehengebirges“, sagt Kluttig.
Segelfliegen: Mitglieder des Aero Club Bad Oeynhausen-Löhne starten mit ihren Segelfliegern unter anderem in Porta Westfalica. Der Flugplatz hat eine 860 Meter lange und 15 Meter breite Asphaltbahn sowie eine 1.000 Meter lange Grasspiste zum Starten und Landen. „Das Wiehengebirge ist für uns Segelflieger ein Paradies. Deshalb ist die Wahl des Standortes für den Flugplatz optimal“, sagt Vereinsmitglied Volker Brinkmann.
Ähnlich wie bei den Drachenfliegern spielt auch beim Segelflugzeug die Thermik eine übergeordnete Rolle. „Vor allem in den Herbst- und Wintermonaten können wir manchmal stundenlang fliegen und uns von den Winden tragen lassen“, berichtet Brinkmann.
Neben den Vereinsfliegern starten auch regelmäßig Piloten aus ganz Deutschland und den angrenzenden Ländern in Porta Westfalica. „Im vergangenen Jahr im Dezember hatten wir einen Tag, wo 60 Piloten den Flugplatz genutzt haben. Dabei kamen sie aus Belgien, den Niederlanden und aus Süddeutschland, um die gute Thermik zu nutzen“, verrät Brinkmann, der außerdem hervorhebt: „Auch für Flugschüler ist das Wiehengebirge optimal. Gemeinsam mit einem Lehrer können sie längere Zeit segeln und lernen dadurch sehr viel schneller als viele andere Segelfluganwärter.“