Unsere Jugend

Wie junge Menschen Löhne und Bad Oeynhausen bewegen wollen - und es schon tun

NW-Digitalredaktion

Was meiner Heimatstadt fehlt

Klartext: Jugendliche sagen, was sie in Bad Oeynhausen und Löhne vermissen

Nicole Sielermann

Fangen wir mit einer Bestandsaufnahme an: Was fehlt den Jugendlichen in Bad Oeynhausen und Löhne? Was wünschen sie sich?

Gänzlich unzufrieden sind die Jugendlichen nicht. Auch wenn ihnen das eine oder andere „jüngere“ Angebot in den beiden Städten sicherlich fehlt. Die Bad Oeynhausenerin Joline Welp hat zum Beispiel mehrere Veranstaltungen, die ihr gefallen. Aber sie wünscht sich mehr dieser Art. Die Löhnerin Anna Horn dagegen ist überzeugt, dass bessere Busverbindungen schon Abhilfe schaffen würden. Die meisten der befragten Jugendlichen haben konkrete Vorstellungen und Vorschläge, was sie sich für ihre Stadt wünschen.

Welche das sind, lesen Sie, wenn Sie sich durch die Slideshow klicken:

Im Video hat sich Jaquline Zarbock (21) aus Bad Oeynhausen geäußert. Sie denkt besonders an den Nahverkehr:

Hören Sie hier, was sich Yannick Baum (15) aus Bad Oeynhausen wünscht:


Auch Dorian Hofmeister (13) aus Bad Oeynhausen hat einen Wunsch:


Ganz konkrete Vorstellungen hat Julian Hofmeister (12) aus Bad Oeynhausen:

Freizeit in Löhne und Bad Oeynhausen

Was die Jugendzentren der beiden Städte bieten

Nicole Bliesener und Dirk Windmöller

Bad Oeynhausen: Abwechslungsreiche und offene Angebote in den drei Jugendtreffs im Stadtgebiet

Ein Basecap muss sein. Das Board klemmt locker unter dem Arm. Yannick übt Tricks auf der Rampe. „Die Skateranlage ist unser großes Plus“, sagt Joachim Bröskiewicz, Sozialarbeiter im Jugendcafé Sonderfahrt, „und auch Anziehungspunkt für Jugendliche aus dem gesamten Stadtgebiet“.

Das Jugendcafé an der Weserstraße ist einer von drei Treffpunkten für Jugendliche in Bad Oeynhausen. Während die beiden städtischen Einrichtungen, das Café Sonderfahrt an der Weserstraße und das Haus der Jugend an der Eidinghausener Straße, verstärkt auf die offene Jugendarbeit setzen, setzt der vom Kirchenkreis Vlotho betriebene Jugendtreff „Fo(u)rC“ an der Hedingsener Straße in Volmerdingsen stärker auf Angebote mit Anmeldung.

„Der Grund ist einfach“, sagt Bärbel Meyer vom Jugendtreff „Fo(u)rC“, „wir liegen ja zwischen zwei Gemeinden und sind mit öffentlichen Verkehrsmitteln schlecht zu erreichen. Und Eltern bringen die Jugendlichen lieber zu festen Angeboten und holen sie zu einer konkreten Zeit wieder ab.“ Offen ist der Jugendtreff an vier Nachmittagen in der Woche aber dennoch auch für die, die sich nicht auf ein Angebot festlegen wollen. „Unser ursprüngliches Konzept war auch stärker auf die offene Jugendarbeit ausgerichtet“, sagt Meyer, „aber das hat auch aus räumlichen Gründen nicht so gut funktioniert.“ Sehr gut angenommen von den 8- bis 12-Jährigen wird die „Kids Time“ am Donnerstag. Freitagsnachmittags gibt es ein festes Kochangebot für Jugendliche ab 12 Jahren.

Zu diesen regelmäßigen wöchentlichen Angeboten kommen Fahrten, Ausflüge, Ferienspielaktionen und auch Schulungen. „Sehr gut angenommen werden die Erste-Hilfe-Kurse und der Babysitterkurs“, sagt Bärbel Meyer. Die Ausflüge bietet der Jugendtreff meistens samstags an. „Während sich für unsere Spielenachmittage die Sonntage bestens bewährt haben“, so Meyer. Wichtig ist ihr bei allen Aktionen mit den Jugendlichen ins Gespräch zu kommen. „Viele Kids suchen bei uns so etwas wie ein Zuhause.“ Einen breiteren Raum nehmen auch Persönlichkeits- und Bewerbungstrainings ein.

„Es ist wichtig, den Jugendlichen, Möglichkeiten sinnvoller Freizeitgestaltung abseits des Elternhauses zu bieten“, sagt auch Matthias Rixe vom Haus der Jugend an der Eidinghausener Straße. „Wir leisten hier in erster Linie Beziehungsarbeit“, fügt Rixe hinzu. Und dazu gehören ein immer offenes Ohr und Tipps bei Problemen in der Schule, im Elternhaus, mit Freunden oder auch bei der Suche und der Bewerbung um einen Ausbildungsplatz.

Ins Jugendzentrum kommen eher die älteren Jugendlichen. Treffpunkt und Trainingsstätte ist das Haus für HipHopper und Breakdancer. „Wir veranstalten Talentwettbewerbe, Filmabende und natürlich auch Kochabende“, fügt Rixe hinzu. Seit einigen Monaten kommen immer mehr junge Flüchtlinge ins Jugendzentrum. „Natürlich gibt es Sprachbarrieren“, sagt Rixe. Aber hier ebne die offene Arbeit den Weg in die Integration.

„Das hier ist ein Ort ohne Verpflichtungen“, sagt Joachim Bröskiewicz über das Café Sonderfahrt. Jugendliche im Alter zwischen 10 und 25 Jahren treffen sich im Café an der Weserstraße, spielen Kicker, Billard, Air-Hockey, Dart, Tischtennis oder an der Spielekonsole. „Wichtig ist aber auch die Chill-Ecke“, sagt Bröskiewisz, „wir haben hier eine richtige Sofa-Gang.“

Eine besondere Aktion plant das Sonderfahrt nach den Sommerferien. „Da organisieren wir das erste Bubble-Fußball-Turnier auf dem Werre-Park-Parkplatz“, verrät Bröskiewicz.

Löhne: Im Jugendzentrum Riff konzentrieren sich die Angebote der Stadt für Jugendliche

Fiona, Yade und viele andere Mädels wuseln durchs Jugendzentrum Riff. Es geht zu wie im Taubenschlag in der Mädchengruppe „Hühnerhaufen“. Diese ist eines der erfolgreich laufenden Angebote des Jugendzentrums.

Mehr als 70 Mädchen kommen einmal in der Woche zusammen. Barbara Lübbert, Leiterin des Jugendzentrums, ist überrascht, dass das Programm so stark gefragt ist. „Normalerweise kommen etwa 15 Jugendliche“, sagt sie. Offensichtlich habe man da einen Nerv getroffen. „Wichtig ist, dass man Angebote für die Jugendlichen macht, die zu ihnen passen und die man so im Alltag nicht machen kann“, sagt Lübbert.

Dafür ist der „Hühnerhaufen“ ein gutes Beispiel. Jede Woche gibt es ein anderes Kreativangebot. An diesem Nachmittag stellen die Mädchen gemeinsam mit nur wenig älteren Helferinnen Lipgloss her. Und es stand auch schon mal Nageldesign auf dem Programm. Mädchensachen eben. „Das ist schon cool hier. Wir machen tolle Sachen, und es ist immer gute Stimmung“, sagt Fiona.

Dieses und andere Gruppenangebote sind beispielhaft für die Veränderung der Jugendarbeit in Löhne. „Es reicht nicht mehr, einfach an bestimmten Tagen in der Woche die Tür zu öffnen, und dann kommen die Jugendlichen einfach so vorbei“, sagt Barbara Lübbert. „Das hat  – glaube ich – damit zu tun, dass die Jugendlichen immer weniger Zeit haben. Die Schule dauert länger und früher gab es keine Handys“, startet sie einen Erklärungsversuch.

An zwei Tagen in der Woche, mittwochs von 15 bis 19 Uhr und donnerstags von 15 bis 18 Uhr, stehen die Türen des Jugendzentrums ohne spezielle Gruppenangebote offen. Aber auch dort gibt es immer wieder Programm.

Kommunikativ ist die Einrichtung im Riff. Ein Billardtisch  und ein Kicker gehören ebenso dazu wie eine Theke, an der es natürlich nur antialkoholische Getränke gibt. Hier können sich Jugendliche treffen, haben einen Anlaufpunkt bei den Mitarbeitern, wenn es vielleicht mal ein Problem gibt.

Jugendliche aller Schulformen verbringen nachmittags gerne ein paar Stunden im Riff. Das betrifft nicht  nur die Mädchen im „Hühnerhaufen“, sondern auch die Jungengruppe. Beide richten sich an die Altersgruppe der 11- bis 13-Jährigen.

Löhne scheint auch eine Breakdance-Hochburg zu sein. „Das rennt wie Bolle. Mittlerweile haben wir drei Gruppen, deren Teilnehmer zwischen 8 und 14 Jahren alt sind. Das ist schön zu beobachten, wie die Kids sich das gegenseitig etwas beibringen.“

Bis vor wenigen Jahren gab es in Gohfeld das Jugendzentrum East End. Aus Kostengründen wurde das Haus geschlossen. Kinder und Jugendlichen wird als Folge der Schließung ein gutes Angebot gemacht: Ein Bus holt die Kids, die beim Riffclub immer mittwochs von 16 bis 18 Uhr dabei sein wollen, vom Parkplatz der Goethe-Realschule ab und bringt sie natürlich nach dem Ende des Angebots auch wieder dort hin. „Das wird auch von den Gohfeldern gut angenommen. Da sind immer 20 bis 30 dabei“, sagt Barbara Lübbert.

Fester Bestandteil in der Löhner Jugendarbeit sind auch die Angebote in den Ferien. In allen Ferien werden feste Programme in Workshopform für Teilnehmer ab 11 Jahren angeboten. „Da ist die Nachfrage in den letzten Jahren geradezu explodiert“, freut sich Barbara Lübbert.
Auch die mobile Jugendarbeit spielt in Löhne noch eine Rolle.  In den Sommermonaten sind  die Mitarbeiter im Stadtgebiet auf Schulhöfen und Spielplätzen unterwegs. „Aber auch dabei stellen wir eine Veränderung fest. Man trifft nicht mehr so viele Cliquen. Es sind weniger Leute unterwegs.“

Feiern? Leider nur woanders

Wo Jugendliche aus Löhne und Bad Oeynhausen Party machen (müssen)

Nicole Sielermann und Paula Dieker

Box

Die Musikbox in Minden gibt es seit mehr als 26 Jahren. Die Box hat mehrere Bereiche: Die Disco als eigentlichen Mainbereich mit großer Tanzfläche, mehreren Theken und Sitzmöglichkeiten; das Backstage mit zweiter Tanzfläche; den Sub, bei Bedarf ebenfalls mit Tanzmöglichkeit und die Kneipe, in der es Pizza und Snacks gibt. Mittwochs gibt es aktuellen Mainstream und Charts, donnerstags Specials, freitags alles rund um Alternative, samstags Specials und Konzerte und sonntags Musik aus vergangenen Tagen.
Öffnungszeiten: Musik-Box, Portastraße 69, Minden, geöffnet mittwochs, freitags und samstags ab 21.30 Uhr, sonntags nach Programm

Go Parc

Der Go Parc Herford ist die Anlaufstelle für das junge Partyvolk. Seit mehr als 25 Jahren gehen dort die Generationen Ü18 ein und aus. Vier verschiedene Dancefloors und drei Chillout-Areas (Grand Club, Gold Club, Space, Party-Stadl, Date, Cup & Cino, Open Air Summer Lounge) stehen den Gästen zur Verfügung. Jeden Freitag oder an Sonderöffnungstagen können schon 16-Jährige im Go Parc feiern. Jeden Samstag trifft sich das etwas ältere Publikum, Einlass ab 18 Jahren.
Öffnungszeiten: Go Parc, Wittekindstraße 22, Herford, geöffnet freitags 22 bis 6 Uhr, samstags 22.30 bis 6 Uhr

X

Das „X“ in Herford bedient verschiedene musikalische Szenen. Mit dem Angebot auf drei Floors und der Abdeckung nahezu aller musikalischen Bereiche bietet es für jeden Musikfan im Alter von 18 bis 40 Jahren an den Wochenenden Tanzvergnügen. Auf dem Live-Sektor kann das „X“ auf eine beachtliche Resonanz zurückblicken: Motörhead, Lordi, Christina Stürmer, Tanzwut, Apoptygma Berzerk, Kool Savas und Agnostic Front, Papa Roach, Knorkator oder The Mission waren einige der Gäste.
Adresse: Diskothek X, Bünder Straße 86-88, Herford

PW Event Hall

Dort wo früher die Menschen im PW1 tanzten, erwartet seit letzten Jahr die PW Event Hall die Gäste. Es gibt nicht nur eigene Veranstaltungen sondern auch die Möglichkeit, Räumlichkeiten für 20 bis 2.400 Personen zu mieten. Die Event Hall hat sechs Erlebnis-Bereiche: Event Hall, Alm-Stadl, Classic, Clubs, Café mit Restaurant „Food & Wein“ und den Open Air Beach Club.
Öffnungszeiten: PW Event Hall, Platte Weide 1, Porta Westfalica, je nach Programm an den Wochenenden geöffnet

Lagerhaus Schnathorst

Das Lagerhaus Schnathorst ist eine Kneipe mit angeschlossenem Veranstaltungsbereich, in dem vor allem Schulabschlussfeiern stattfinden und verschiedene Bands auftreten.
Öffnungszeiten: Lagerhaus Schnathorst, Bredenhof 17-19, Hüllhorst, die Kneipe hat täglich ab 18 Uhr geöffnet, die Disko je nach Programm zu den Veranstaltungen.


Wenn er sich die Party-Szene anschaut, fehlt Lino Mirgeler (19) aus Bad Oeynhausen etwas in seiner Heimatstadt:

Partyproblem

Vereine sperren ihre Räumlichkeiten für Feiern von unter 25-Jährigen. Die Suche nach Alternativen gestaltet sich schwierig und kostspielig

Marline Hermann ist ratlos, Max Weber hatte Glück und Emily Schneider musste sich notgedrungen eine Alternative überlegen – die Drei stehen stellvertretend für eine ganze Generation, die nicht mehr weiß, wo sie eine Party zum 18. Geburtstag schmeißen soll. Denn aufgrund Beschwerden von Nachbarn und Ärger während der Feiern, haben viele Vereine beschlossen, dass Jugendliche nicht mehr in den Vereinsheimen feiern dürfen. Diese Situation ist in Löhne und Bad Oeynhausen ähnlich.



Für Max Weber hat es noch gepasst: Er konnte seinen 18. Geburtstag im Heim von Rot-Weiß Rehme feiern. „Bei mir hat das ohne Probleme geklappt. Ich habe aber auch schon öfters gehört, dass mindestens ein Erziehungsberechtigter vor Ort sein sollte, um aufzupassen.“

Emily Schneider hat ihre eigenen Erfahrungen mit der Anmietung eines Vereinshaus gemacht. „Ich hatte ein Vereinshaus für meinen 16. Geburtstag gemietet. Einen Monat vor meiner Feier bekam ich einen Anruf und mir wurde mitgeteilt, dass sämtliche Feiern, unter anderem auch meine, abgesagt werden.“ Der Grund: Nachbarn hatten sich bei den letzten Feiern mehrmals beschwert. Oftmals soll auch die Polizei vor der Tür gestanden haben.

Die meisten Vereine lassen nur noch Mitglieder feiern. Viel zu oft hat Gerd Tschernay, zuständig fürs Schützenhaus Werste, schlechte Erfahrungen mit Jugendfeiern gemacht: „Es wurden Türen eingetreten oder das Vereinshaus in einem verschmutztem Zustand zurückgelassen“, erzählt Tschernay, der Vorsitzender des Schützenvereins ist. Dazu kamen überfüllte Parkplätze und Beschwerden der Nachbarn.

Michael Körtner, Vorsitzender von Rot-Weiß Rehme klagt: „Bei uns waren die uneingeladenen Gäste das größte Problem – das waren oft mehr als 20 Mann, die gekommen sind. Wir lassen daher schon seit längerem nur noch 18-jährige Vereinsmitglieder hier feiern, zu denen wir ein großes Vertrauen haben.“ Beide Vereine haben nun beschlossen, ihre Häuser nicht mehr an unter 25-Jährige zu vermieten. „Wir vermieten nur an Nichtmitglieder, wenn sie älter als 25 Jahre alt sind“ , erklärt Körtner.

Auch der TuS Volmerdingsen hat sein Angebot „total beschnitten“, wie Vorsitzender Dieter Hinzmann bestätigt. Selbst seine Söhne mussten sich für die Feier des 18. Geburtstages anderweitig umschauen. „Unser Heim ist so klein, dass sich die Feier oftmals nach draußen verlagert hat und dann war ständig die Nachbarschaft betroffen“, erklärt Hinzmann. Deshalb gibt es nun höchstens noch sonntagmorgens einen Frühschoppen.

Der kommt für Marline Herrmann nicht in Frage. Stattdessen möchte sie ihren 17. Geburtstag mit 60 Personen als große Party feiern. „Ich bin ratlos. Ich bin kein Vereinsmitglied und bin somit chancenlos, einen Ort für meine Feier zu bekommen“, sagt sie. Weiteres Problem: „Ich habe mich nach Alternativen umgeschaut, allerdings waren die ziemlich teuer.“

Auch Emily Schneider musste sich nach einem anderen Party-Ort umschauen. „Nachdem der Sportverein mir abgesagt hatte, musste ich schnell eine andere Location finden. Zum Glück bekam ich für dasselbe Datum den Gewölbekeller vom Schloss Ovelgönne“, erzählt sie. Dort bietet sich offenbar derzeit für die Jugendlichen die einzige Möglichkeit, Partys zu feien.

Miriam Wiebe, im Schloss Ovelgönne zuständig für Veranstaltungsbuchungen, erklärte: „Für Jugendfeiern empfehlen wir unseren Gewölbekeller. Zu den Räumlichkeiten gehören unter anderem Theke, Kühlhaus, Sanitäranlagen und Garderoben. Bei Geburtstagen mit unter 18-Jährigen sehen wir es gerne, wenn ein Erziehungsberechtigter während der Feier anwesend ist.“ Emily Schneider erzählt von ihrer Feier im Schloss: „Ich war sehr dankbar über den Getränkeservice, der mir empfohlen wurde. Um das Essen haben wir uns selbst gekümmert.“

Auch andere Möglichkeiten, wie die Jugendzentren fallen weg. Im Haus der Jugend gäbe es theoretisch zwar die Möglichkeit, aber es gilt ein striktes Alkoholverbot. Volker Müller-Ulrich, Pressesprecher der Stadt Bad Oeynhausen, stellt auch in Frage, ob es Aufgabe der Kommune sei, eine Feiermöglichkeit für Jugendliche zu stellen. „Ich kenne keinen Ort, indem sich der Stadtrat damit beschäftigt.“ Für Jugendliche bleibt, außer kostspielige Alternativen, also nur der private Partykeller über.

Einer der Orte, an dem man noch in Löhne feiern kann ist das Familienzentrum Raps an der Bergkirchener Straße. Aber auch Raps Leiter-Dirk Markgraf hat nicht nur nur gute Erfahrungen gemacht. „Die Gefahr ist da, dass das im Chaos endet“, sagt er. Allerdings werde im Raps nur noch selten gefeiert. „Seitdem wir eine Kaution in Höhe von 250 Euro nehmen, hat das stark nachgelassen. Da haben immer weniger Lust, dafür gerade zu stehen“. Er hat auch, dass Alkohol bei Feiern eine wesentlich größere Rolle spiele als noch vor Jahren. „Das Vorglühen ist oft nah dran an einer Alkoholvergiftung.“

Politik und Ehrenamt

Wie und wo sich Jugendliche für Löhne und Bad Oeynhausen engagieren

Jörg Stuke und Ulf Hanke

Julian Noweck (CDU) und Yannik Böhm (SPD) erklären, warum sie sich in der Kommunalpolitik engagieren und warum man sich dabei von Rückschlägen nicht unterkriegen lassen darf. Und die beiden Abiturienten Richard Gonda und Ole-Christian Tech erzählen, warum sie sich in ihrer Freizeit im Seniorenzentrum Bethel engagieren

Julian Noweck (CDU) aus Bad Oeynhausen

Seine Lehrerin hat Schuld. Als Julian Noweck das Leo-Sympher-Berufskolleg besuchte, um Abi und gleichzeitig eine Ausbildung zum Erzieher zu machen, hatte die Pädagogin ihren Schülern erklärt: „Wenn ihr was verändern wollt, dann müsst ihr euch auch selbst engagieren.“ Der Satz hatte nachhaltige Wirkung. Heute ist Noweck 28 Jahre alt und das jüngste Mitglied im Bad Oeynhausener Stadtrat.

Das Interesse für Politik war bei Noweck schon in der Realschule erwacht. „Ich konnte mich aber zunächst keiner Partei so richtig zugehörig fühlen.“ Das kam erst im Studium. Mathe und Religion waren seine Fächer an der Uni Bielefeld. „Und als Religionsstudent war mir das C im Parteinamen schon besonders wichtig“, berichtet Noweck. So trat er 2009 dem RCDS, dem Ring christdemokratischer Studenten bei. Und der Jungen Union. Und der CDU. „Ich bin da dann so reingewachsen“, sagt der 28-Jährige.

Vor der Kommunalwahl 2014 kamen dann einige Parteifreunde auf ihn zu und fragten, ob er nicht für den Stadtrat kandidieren wolle. „Damit hab ich mich zuerst recht schwer getan“, sagt Noweck. „Als Student hatte man ja noch Zeit.“ Vor zwei Jahren aber war Noweck Referendar. Die Zeit wurde deutlich knapper. Er sagte schließlich doch Ja, kandidierte und holte seinen Wahlbezirk in Oberbecksen direkt. Mit 26 Jahren zog er dann als jüngstes Mitglied in den aktuellen Stadtrat ein. „Ich war vorher ja schon in der Kirchengemeinde aktiv, hatte in Kindergarten und Schule gearbeitet. Da kannten mich viele Leute“, sagt Noweck.

Als Ratsherr ist ihm wichtig, Ansprechpartner für die Bürger zu sein. „Ich war auch schon in der Schule der Klassensprecher-Typ“, sagt Noweck. Sein Start im Rat habe ihn positiv überrascht. „Ich habe mich da gut aufgenommen und für voll genommen gefühlt.“ Er könne mitbestimmen und Gedanken und Zweifel einbringen, sagt Noweck, der inzwischen Grundschullehrer in Kirchlengern ist.

Sein Rat an junge Leute: „Vieles in der Politik wirkt auf den ersten Blick langweilig und komplex. Lasst euch nicht abschrecken, bleibt dran. Dann wird’s auch interessant.“ Um sich zu informieren, empfiehlt Noweck ein hervorragendes Medium, um über die wichtigsten Ereignisse informiert zu werden: die Tageszeitung.
Inzwischen hat er den Rat seiner Lehrerin in ein eigenes Motto überführt. „Nur Meckern reicht nicht!“

Yannik Böhm (SPD) aus Löhne

Als Yannik Böhm 14 Jahre alt war, ging es schwer rund in Löhne. „Ich fand es komisch, dass überall in der Stadt Kreisel gebaut wurden. Überall wurde die Verkehrsführung geändert. Und an vielen Stellen fehlten die Radwege“, erinnert sich der heute 20-Jährige. Das war der Anstoß: Böhm ging zu den Jusos.

„Wenn Politik machen, dann mit der SPD. Das war für mich gar keine Frage“, sagt Böhm. Und räumt auch ein, dass dafür eine gewisse familiäre Vorbelastung auch eine Rolle gespielt haben mag: Yanniks Vater Wolfgang Böhm ist Fraktionsvorsitzender der SPD im Löhner Stadtrat.

Nicht nur in der Jugendorganisation, auch von den älteren Genossen habe er sich von Anfang an ernstgenommen gefühlt. „Wenn es um jugendliche Themen geht, dann werde ich auch schon mal gefragt, wie ich das sehe“, sagt Böhm.

„Politik“, so lautet auch Böhms Erkenntnis, „ist die einzige Möglichkeit, selbst etwas zu verändern.“ Dass sich dennoch nur wenige junge Menschen für Politik erwärmen können, hat Böhm, der in Minden Informatik studiert, auch im eigenen Bekanntenkreis schon erfahren. „Viele interessieren sich offenbar nur noch für das, was sie selbst betrifft.“

Was er gern verändern würde in Löhne? Da muss Yannik Böhm nicht lange überlegen. Erstens: den Nahverkehr verbessern. Damit junge Leute auch ohne Auto mobiler sind, zum Studium oder zur Ausbildung kommen und deshalb nicht gleich der Stadt den Rücken kehren müssen. Oder auch, um abends etwas außerhalb der Stadt unternehmen zu können. „Es sollte nicht der letzte Bus schon um 20 Uhr fahren“, wünscht sich Böhm. Auch die Unterbringung und Integration von Flüchtlingen ist für ihn ein zentrales Thema. „Unter den Flüchtlingen gibt es schließlich auch viele junge Menschen“, sagt der 20-Jährige.

Auch die Renaturierung der Werre liegt ihm am Herzen. Und die Zukunft des Löhner Bahnhofes. Beides Themen, die schon vor sechs Jahren bei den Jusos – außer den Kreiseln – diskutiert wurden. Und beides sind Themen, bei denen sich noch nichts ganz Wesentliches getan hat in den vergangenen Jahren. „Politik ist nicht schnell“, hat Yannik Böhm erkannt.

Jungen Menschen empfiehlt er im Umgang mit Politik: „Ihr müsst auch mit Rückschlägen klar kommen. Auch dadurch wird man schlauer.“

Ehrenamtliches Engagement abseits der Politik

Die beiden Abiturienten Richard Gonda und Ole-Christian Tech engagieren sich in ihrer Freizeit im Seniorenzentrum Bethel in Bad Oeynhausen.

Erna Schubert quietscht vor Vergnügen. Die rüstige Rentnerin spaziert mit ihrem Rollator durch den „Frischluftpfad“ im Seniorenzentrum Bethel und lässt sich dabei von zwei jungen Herren begleiten. Die Männer legen der alten Dame von hinten die Hand auf die Schulter. Nicht, um sie anzuschieben, sondern weil der Fotograf das so will. Das hebt die Stimmung. Und Erna Schubert macht’s wirklich hörbar Spaß.



Ole-Christian Tech und Richard Gonda arbeiten ehrenamtlich im Altenheim. Jede Woche verbringen die beiden 17 und 18 Jahre alten Abiturienten etwa sieben Stunden ihrer Freizeit mit alten Menschen. Das ist nicht immer so amüsant wie in der Schlager-Polonaise von Gottlieb Wendehals. Für die beiden jungen Männer sind es Begegnungen mit rüstigen Rentnern und pflegebedürftigen Menschen, vollgestopft mit Lebensfreude, einem reichhaltigen Erfahrungsschatz und Tiefgründigkeit, aber auch mit Trübsal und Tod.

Warum machen die beiden das? Die Antwort ist nicht ganz einfach. Ole-Christian Tech ist vor drei Jahren über seine eigene Großmutter zur ehrenamtlichen Arbeit im Altenheim gekommen. Sie war und ist im Freundeskreis des Seniorenzentrums Bethel tätig und betreut selbst ehrenamtlich alte Menschen.

Ole ist mit seiner Großmutter ins Altenheim gegangen, er war damals 14 Jahre jung. „Deshalb kannte ich den Geruch schon“, sagt der 17-Jährige. Es ist diese unverwechselbare Mischung aus Kaffee, Desinfektionsmittel und Urin, die in manchen Pflegestationen die Besucher umweht.

Ole ist dabei geblieben und mehr noch: Er hat seine Freunde aus der Schule angesprochen und drei weitere junge Helfer fürs Altenheim rekrutiert. Richard Gonda ist seit einem Jahr dabei. Beide erzählen auf die Frage, warum sie sich engagieren Ähnliches: Wir bekommen Anerkennung. Das ist vielleicht ein Dankeschön, möglicherweise aber auch viel mehr. „Wir sind die einzigen unter 60 Jahren“, erzählt Ole und Richard grinst: „Da hört man schon öfters Komplimente.“

Das Leben im Altenheim ist so bunt wie das Leben so ist. Für manche Bewohner sind die jungen Männer, die zum Rollstuhlschieben oder Abendbrotschneiden vorbeikommen, eine Art Ersatzfamilie. Sie hören zu und reichen die Hand. Auch wenn sie die gleichen Geschichten nicht nur einmal erzählt bekommen. Die beiden erinnern sich zum Beispiel an eine Bewohnerin, die immer wieder einen Satz wiederholt hat – wie bei einer Platte, die einen Sprung hat: „Donnerstag ist Vatertag.“

Die beiden Schüler haben trotzdem jedes Mal hingehört. Schließlich gehört genau das zu ihrem Ehrenamt: zuhören und Gesellschaft leisten. Die beiden sind inzwischen gute Beobachter geworden. Besonders witzig sind alte Ehepaare. Ole hat einmal einen Mann mit seiner dauererzählenden Ehefrau zu einem Kurkonzert begleitet. Kaum saß der Mann auf seinem Platz, habe er sich Ohrstöpsel in die Gehörgänge gedreht und entspannt zurückgelehnt, erzählt Ole Tech.

Die beiden sind für manchen Bewohner des Heims Ersatz für eine Familie. Sie selbst sehen sich aber nicht als Familienersatz. „Die Arbeit im Altenheim beschäftigt mich auch außerhalb“, sagt Ole. „Das ist aber keine Belastung.“ Sein eigenes Leben läuft weiter, außerhalb von Schule und Seniorenzentrum.

Was nach der Schule kommt

Ausland, Ausbildung, Studium - Jugendliche aus Bad Oeynhausen und Löhne erzählen

Ulf Hanke, Nicole Sielermann, Susanne Barth

Bad Oeynhausen

Friedrich Maximilian Niehus (20) aus Gohfeld macht ein Freiwilliges Soziales Jahr an der Klinik am Rosengarten:

Das Ruhrgebiet: Endlose Straßen, ein Gewirr aus Leitplanken und Asphaltbahnen. Wo war noch mal Herne-West, wo Lüdenscheid-Nord? Und mittendrin Friedrich Maximilian Niehus aus Gohfeld. In wenigen Wochen hat er den alten Kohlenpott und seine Autobahnen kennengelernt. Der 20-Jährige leistet ein Freiwilliges Soziales Jahr (FSJ) an der Klinik am Rosengarten – als Krankenfahrer.

Am Kamener Kreuz kommt Niehus drei, vier Mal die Woche vorbei. „Die A46 bei Wuppertal ist immer eine Katastrophe“, erzählt er. Da gibt’s viel Verkehr, Stau und sinnlose Wartezeit. Dabei will er seine Patienten sicher und zügig von Klinik zu Klinik oder nach Hause transportieren. Manche sind gesprächig, manche nicht. Einige setzen sich gesellig nach vorn, andere verkriechen sich auf der Rückbank. Niehus lässt seinen Mitfahrern Raum, die meisten kommen eh nach vorn.

Ein guter Freund hatte vor ihm das FSJ, das über das Rote Kreuz in Unna läuft, in Bad Oeynhausen gemacht. Für die Freiwilligen gibt’s 380 Euro monatlich. Voraussetzung ist ein gültiger Führerschein und entsprechende Schulungen zum Umgang mit den Patienten. Niehus will „wahrscheinlich verlängern“, um die Zeit zwischen Schule und Studium – oder Lehre – zu überbrücken.

Die Bewerbungen sind verschickt. In die Gesundheitsbranche oder das Taxi-Gewerbe will er nicht: „Ein Jahr auf der Straße reicht – Berufskraftfahrer werde ich nicht“, sagt er entschlossen und holt seinen Schlüssel fürs Dienstauto raus.

Draußen vor der Klinik parkt er dann gekonnt seinen Ford Focus. Darin oder im Mercedes Vito fährt er frisch Operierte, Menschen mit Multipler Sklerose, Herz- oder Schlaganfällen – und ihr Gepäck. Sind die Patienten fit genug, dürfen sie zu Niehus ins Auto steigen. Und wenn nicht, dann muss Niehus selbst den Rettungsdienst rufen. Egal wo er gerade ist: in Herne-Ost oder Lüdenscheid-Nord.


Denise Heitmann (22) macht eine Ausbildung zur Fleischerin bei Timmerberg

Fleisch begeistert sie. „Ich esse gerne und viel Fleisch“, gibt Denise Heitmann zu. Trotzdem war ihre Berufswahl eher Zufall. Durch ein Praktikum kam die 22-Jährige zu ihrer Ausbildung als Fleischerin – und hat ihre Wahl bisher nicht bereut.

Nach der Schule ging es Denise Heitmann wie vielen anderen: „Ich wusste nicht, was ich machen sollte“, sagt sie rückblickend. Also fiel die Wahl auf die Hauswirtschaftsschule, das Anna-Siemssen-Berufskolleg in Herford. Eines der Praktika führte sie – in die Fleischerei. Denise Heitmann war begeistert und blieb. „Als ich meinen Azubi-Vertrag in der Tasche hatte, habe ich die Schule beendet.“

Inzwischen hat Denise Heitmann mehr als die Hälfte des ersten Lehrjahres absolviert. „Es ist eine Männerdomäne – aber man gewöhnt sich an den Ton“, sagt die junge Frau schmunzelnd. Zudem sei es nicht unbedingt einfacher als mit Frauen zu arbeiten: „Männer können genauso zickig sein“, winkt Denise Heitmann ab.

Partyservice vorbereiten, Bestellungen abarbeiten oder Würstchen aufhängen – noch darf Denise Heitmann nicht selber an die Wurstzubereitung, sondern arbeitet zu. „Aber Auslösen gehört schon dazu“, sagt sie. Vegetarier wären in ihrem Job falsch. „Es muss ja auch mal eine Wurstmischung abgeschmeckt werden.“ Und auch ein Schlachthof-Besuch gehört zur Ausbildung zwingend dazu.

Wie es sich für eine angehende Fleischerei gehört startet Denise Heitmann mit einer ordentlichen Portion Mett in den Tag. „Mett ist cool“, sagt sie. „Schön mit Zwiebeln – was besseres als morgens ein Brötchen mit Mett gibt es nicht.“ Nur Wurst findet sich aber trotzdem nicht auf dem Tisch der 22-Jährigen. „Es muss noch etwas Süßes dazu.“ Zum Beispiel Marmelade.

Löhne

Antonia Wegener (20) entschied sich für ein Studium der Kulturwissenschaften – nach der Auszeit in Kolumbien

Für Antonia Wegener war eine Pause nach dem Abitur am Gymnasium in Löhne wichtig. „Ich hatte mir ziemlich früh in der Schule vorgenommen, nicht sofort zu studieren.“ Drei Monate nach der Zeugnisübergabe startete im September 2014 das Flugzeug in Frankfurt Richtung Bogotá. Ein halbes Jahr verbrachte Antonia in einem Feiwilligenprojekt in Kolumbien. Die sechs Monate haben auch die Entscheidung geprägt, was sie nach der Pause machen will. „Ich habe noch einmal gemerkt, was mir für meine Zukunft wichtig ist“, sagt die 20-Jährige.

Ihr war schon immer klar, dass sie ein Fach studieren möchte, das sie wirklich interessiert. Heute studiert sie in Lüneburg an der Leuphana Universität Kulturwissenschaften, im Nebenfach Politikwissenschaften „Dabei geht es mir erst mal nicht darum, was ich eigentlich damit später machen will.“ Antonia möchte sich im Studium nicht dem gleichen Druck ausgesetzt fühlen, wie in der Schule „Mich nervt das Bild, dass seit der Bologna-Reform von Hochschulen vermittelt wird: Vom Studium direkt in den Beruf.“

Die Bologna-Reform, also das verkürzte Studienmodell mit Bachelor und Master-Abschluss mache es vielen Geistes- und Sozialwissenschaftlern schwer zu studieren. „Denn gerade in diesen Fächern ist es wichtig, sich nicht zu sehr beschränken zu müssen.“

Daher gefällt Antonia auch das Studienmodell in Lüneburg. „Dort ist man sehr frei in der Fächerauswahl und viele Veranstaltungen sind interdisziplinär, das heißt fächerübergreifend.“ Das passe zu ihren vielfältigen Interessen und Vorstellungen eines Studiums.

Für die Zukunft hat sie noch keine festen Plan. „Ich könnte mir vorstellen im Journalismus oder in einer Nicht-Regierungs-Organisation zu arbeiten.“ In beiden Bereichen hat sie bereits Erfahrungen gesammelt. Als Master-Studiengang könnte sie sich gut „Friedens- und Konfliktforschung“ oder Internationale Beziehungen“ vorstellen.

Au-Pair: Jill Johanning (20) ist als Au-Pair in den USA

In Oklahoma City, der Hauptstadt vom Bundesstaat Oklahoma, lebt Jill bei ihrer „zweiten“ Familie Jeremy, Kristy und Sohn Henry. Ihre Hauptaufgabe ist es, Henry (4) zu beschäftigen: Zur Schule und seinen Aktivitäten wie Karate und Fußball zu fahren, mit ihm zu spielen. „Wie ein Kindermädchen“, sagt Jill via Skype.

Das gefalle ihr gut und auch generell hat sie nichts zu meckern. Mit ihrer Familie kommt die 20-Jährige super klar: „Sie sind total nett und reisen viel mit mir.“ So geht es zum Skifahren nach Nevada, 20 Stunden im Campingwagen nach Florida oder für ein Wochenende nach Las Vegas: „Die Ausflüge sind toll.“

Missen möchte Jill die Zeit als Au-Pair-Mädchen nicht. „Ich kann das nur jedem empfehlen. Es gibt keinen besseren Zeitpunkt als nach der Schule.“ Selbstständiger sei sie geworden, hat viele Menschen kennengelernt, eine neue Kultur. „Und ich habe natürlich mein Englisch verbessert.“

Die 20-Jährige mag die Sprache und möchte sie auch im anschließenden Studium einbinden: „Englisch könnte ich mir als Nebenfach vorstellen“, erzählt Jill.

Doch bevor sie im Spätsommer wieder zurück in die Heimat kommt, geht es für Jill Johanning noch auf Reisen. Einen Monat lang. „Hawaii ist schon gebucht.“ 

Vom Lernen in der Schule direkt zum Lernen an der Uni, das wollte Jill Johanning nicht. „Ich wollte zwischendurch noch etwas anderes sehen und mein Englisch verbessern.“ Da sie in Deutschland drei Jahre lang auf drei Geschwister aufgepasst hat, kam ihr die Idee als Au-pair in die USA zu gehen. Das war 2014. Jill gefällt die Arbeit als Au-Pair-Mädchen so gut, dass sie ein Jahr verlängert hat.

Die Jugend und das Smartphone

Wo hört der Spaß auf, wo fängt die Sucht an?

Nicole Sielermann und Felix Eisele

Smartphone-Nutzung: „Exzessive Phasen bedeuten nicht gleich eine Abhängigkeit“

Mareike Awolin aus der Fachstelle für Suchtprävention in Bad Oeynhausen erklärt, woran Jugendliche und Eltern erkennen, ob sie Internet und Smartphone zu oft nutzen

Während Jungs stundenlang in die virtuelle Spielewelt eintauchen können, setzen Mädels auf die sozialen Netzwerke. Doch selbst wer stundenlang im Netz unterwegs ist, ist noch längst nicht süchtig. „Mediennutzung gehört in den Alltag“, betont Mareike Awolin von der Fachstelle für Suchtprävention der Drogenberatung Minden. „Für Kinder und Jugendliche sind Smartphones ein wichtiges Kommunikationsmittel.“ Abschaffen oder verbieten sei daher nicht das Mittel der Wahl. „Stattdessen muss der Nachwuchs frühzeitig den richtigen Umgang lernen, muss Medienkompetenz entwickeln.“ Am besten schon im Grundschulalter.

Internetabhängig ist offenbar nur ein minimaler Teil der Jugendlichen. Laut der Pinta-Studie aus dem Jahr 2014 sind lediglich 2,4 Prozent der 14- bis 24-Jährigen betroffen. „Eine exzessive Nutzung bedeutet nicht, dass der Jugendliche gleich abhängig ist“, winkt Awolin ab. Die studierte Soziologin weiß, dass es vor allem dann kritisch wird, wenn ein Kind nicht mehr aus der digitalen Welt herauskommt. „Es braucht immer die reale Welt“, warnt sie. Da sei es an den Eltern genau hinzuschauen.

Wie lange nutzt mein Kind das Netz? Was macht es dort? Welche Spiele spielt es? Das alles seien Fragen, sagt die 35-Jährige, die Eltern im Auge haben müssten. „Eltern sollen sich interessieren, sollen ihr Kind im Umgang begleiten. Nicht alles ablehnen, sondern das Spiel vielleicht einfach mal mitspielen“, rät Mareike Awolin. Auch seien Eltern immer noch ein Vorbild für ihre Kinder. „Am besten werden in der Familie gemeinsam Regeln aufgestellt, wann und wie lange Smartphones und Internet genutzt werden.“ Regeln, an die sich alle halten müssen. Auch die Eltern. „Während der Essenszeiten oder nach 19 Uhr können Smartphones dann in der Mediengarage geparkt werden“, nennt die Fachfrau ein Beispiel.

Wer gedanklich stark vereinnahmt ist, ein starkes Verlangen hat und die Kontrolle über den Gebrauch des Internets und des Smartphones verliert, wer immer häufiger im Netz ist, immer weniger Interesse an anderen Dingen, an Freizeitbeschäftigungen hat, Freunde verliert, keine sozialen Kontakte mehr hat, unruhig wird, gereizt oder nervös, wenn er nicht im Internet ist oder seine Nutzung herunterspielt – der ist eindeutig in der Abhängigkeit. „Es ist aufgefallen, dass sie oftmals mit Depressionen oder Ängsten einhergeht, bzw. diese vorliegen.“ Auch die körperlichen Folgen seien nicht zu unterschätzen: „Das sind Sehschwierigkeiten und auch körperliche Beeinträchtigungen durch das stundenlange Sitzen und die fehlende Bewegung.“

Problem Cybermobbing

Die Cybercops Emily Kronschnabel (16) und Lisa Lübcke (17) versuchen, bei Cybermobbing zwischen den Parteien zu vermitteln

Einfacher ist es hinten herum. Wer nicht das Rückgrat hat, anderen Menschen seine Meinung direkt ins Gesicht zu sagen, setzt in modernen Zeiten auf die sozialen Medien. „Das verbreitet sich dort rasend schnell und über die Konsequenzen denkt niemand nach“, sagen Emily Kronschnabel (16) und Lisa Lübcke (17). Die beiden sind Cybercops am Immanuel-Kant-Gymnasium und wissen: „Cybermobbing ist bei unseren Einsätzen das Hauptproblem.“ Nahezu immer ginge es um Lästereien in den sozialen Netzwerken.

Die Lästergruppen beim Nachrichtendienst WhatsApp sind weit verbreitet. In Sekunden ist ein Video verschickt – die Folgen dagegen wirken lange nach. Es lasse sich einfach nicht kontrollieren, was aus einer kleinen Nachricht werden könne. „Einmal hatte ich den Fall, dass ein Video verbreitet wurde“, erzählt Lisa Lübcke. Sämtliche Handys der Klasse seien daraufhin kontrolliert und das Video von den Cybercops gelöscht worden.

„In erster Linie versuchen wir zu vermitteln, die Probleme auf den Tisch zu holen und gemeinsam mit den Schülern eine Lösung zu finden“, erklärt die 17-Jährige.

Oft sind Mädchen die Opfer von Cybermobbing. „Manchmal müssen wir die Klassen bei der Aufarbeitung auch nach Geschlechtern trennen – denn bei den Jungs herrschen ganz andere Töne“, weiß Informatiklehrer Ulrich Seyer, der als Ansprechpartner für Cops und Betroffene zur Verfügung steht. Die Grauzone beim Cyber-Mobbing sei enorm, vermutet er.

Jedes Jahr bilden das Immanuel-Kant-Gymnasium und die Realschule Süd zusammen mit der Kreispolizeibehörde Cybercops aus. Sie sollen den jüngeren Schülern helfen, sich im Dickicht des Mediendschungels zurechtzufinden. Ein striktes Handyverbot, das gibt es am IKG nicht. „Im Unterricht dürfen wir es aber nur auf Anweisung der Lehrer nutzen“, erklärt Emily Kronschnabel. Zum Beispiel als Wörterbuch im Englischunterricht. Bei Klausuren wird es dagegen im sogenannten Handy-Bettchen auf einem Tisch gesammelt.

Generell ist das Smartphone großes Thema bei den Jugendlichen. Während einige ständig Online sind, Videos anschauen oder chatten, lassen Emily und Lisa das Handy aber auch mal in der Tasche. „Wenn wir uns im Freundeskreis treffen, dann wollen wir quatschen. Und da gehen wir wirklich nur ans Telefon, wenn die Eltern anrufen“, sagen die beiden Gymnasiastinnen.

Vor allem in den Klassen fünf bis sieben haben die Cybercops ihre Einsätze. Danach kommt aber nicht etwa der Verstand. „Ab der Achten werden sie geschickter“, winkt Ulrich Seyer ab. Zusammen mit seinen Cops hat er fertige Präsentationen in der Schublade liegen, um Eltern oder auch Grundschüler über Facebook, Spielsucht oder WhatsApp zu informieren. Bisher ist die Resonanz gering. „Das Übel beginnt in der Grundschule. 60 Prozent haben schon in Klasse fünf einen Facebook-Account – obwohl das laut deren AGBs gar nicht zugelassen ist“, weiß Seyer. Die Idee: „Wir würden unsere Cybercops gerne an Grundschulen ausleihen. Wenn die Schüler hier sind, ist es oft zu spät.“ Noch ist das Projekt nicht gestartet.


Wenn die App zur Hilfe wird

Abschalten ist nicht immer sinnvoll. Denn das Handy bietet auch Potenzial, sagen Experten

Nur wenige Monate sind vergangen, seit eine Wortneuschöpfung die Republik eroberte. Als Jugendwort des Jahres 2015 hielt der „Smombie“, ein Kofferwort aus den Begriffen „Smartphone“ und „Zombie“, Einzug in die deutsche Sprache. Gemeint sind Menschen, die ständig auf ihr Mobiltelefon glotzen – und ihre Umgebung daher kaum noch wahrnehmen. Dabei bieten Apps und Online-Spiele zuweilen sogar Potenziale – und können helfen, den Alltag bewusster und vor allem unabhängiger von der digitalen Technik zu gestalten.

Psychologin Regina Diedrichs-Winkler ist sich sicher: Das Abschalten des Smartphones muss nicht automatisch sinnvoll sein. Schließlich gehöre die neue Technik längst zum Alltag. „Deshalb muss es darum gehen, sich in Achtsamkeit zu üben“, wirbt die Löhnerin, die zu diesem Thema sogar schon Symposien für seelische Gesundheit an der Berolina-Klinik leitete. Thema: „Chancen und Risiken digitaler Medien für die psychische Gesundheit“.

Es klingt paradox, doch können Apps und Handyspiele bei diesem Anliegen tatsächlich hilfreich sein. Diedrichs-Winkler etwa schwört auf die Meditations-App „7Mind“. Die nämlich macht sich das Verlangen nach dem Smartphone selbst zu nutze. Gerade einmal sieben Minuten dauere dort eine Meditationseinheit, viel Zeit haben Jugendliche daher nicht zu verlieren. Dafür aber eine Beschäftigung mit dem heiß geliebten Handy: Das wird kurzerhand zum Meditations-Coach, der das Achtsamkeitstraining in den Alltag integriert. Ein Kampf mit den eigenen Waffen, ein „Abschalten durch Einschalten“.

Apps wie „Menthal“ oder „Offtime“ hingegen setzen laut Expertin auf eine andere Strategie. „Durch die Programme kann man sich bewusst machen, wie häufig man sein Smartphone benutzt. Und man kann Voreinstellungen wählen, um die Nutzung einzuschränken.“ In Fachkreisen werden derlei Apps schon lange gelobt. Wichtig sei dabei „zu erkennen, dass das Internet nicht nur Gefahren birgt, sondern auch gute Hilfestellungen liefert“.

So gebe es zum Beispiel therapeutische Computerspiele, die bei Erkrankungen wie ADHS helfen können, da sie die Aufmerksamkeit trainieren. Genutzt werden aber auch Gewaltspiele, um Soldaten nach traumatischen Kriegserfahrungen bei der Überwindung von Angstzuständen zu helfen.

Und auch vor Ort häufen sich mittlerweile die Beispiele positiver Smartphone-Nutzung. Eine erblindete Studentin aus Löhne etwa nutzt ihr Handy, um Farben zu erkennen – mittels Elektronik und Tönen, wie sie sagt. Sozialarbeitern erleichtert die Technik derweil die Kontaktaufnahme zur Zielgruppe, sagt Nicole Schröder vom Löhner Jugendamt.

Nolte-Geschäftsführer Eckhard Wefing arbeitet an der „smarten Küche“, wie er sagt – und beteiligt sich daher an einer App, die mehrere Haushaltsfunktionen zusammen führt. Und selbst die Löhner Stadtverwaltung ist bereits aktiv: Stadtführer gibt es längst in digitaler Form. „Und das mit allen wichtigen Informationen und Angeboten im Überblick“, wirbt Pressesprecherin Ursula Nolting.

Unsere Jugend
  1. Was meiner Heimatstadt fehlt
  2. Freizeit in Löhne und Bad Oeynhausen
  3. Feiern? Leider nur woanders
  4. Politik und Ehrenamt
  5. Was nach der Schule kommt
  6. Die Jugend und das Smartphone