Thomas Middelhoff - vom Aufstieg und Fall eines Top-Managers
Das Dossier, erstellt mithilfe der NW-Redakteure Martin Krause, Stefan Schelp, Andrea Frühauf und Hubertus Gärtner, umgesetzt von Julia Gesemann
Die Person Thomas Middelhoff
Ein Lebenslauf
Thomas Middelhoff - der Name war in den vergangenen Monaten und Jahren kontinuierlich in den Medien präsent. Der ehemalige Vorstandsvorsitzende von Bertelsmann und Arcandor war und ist in mehrere juristische Auseinandersetzungen verwickelt. So verurteilte das Landgericht Essen ihn im November 2014 wegen Untreue in 27 Fällen und Steuerhinterziehung in drei Fällen zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren. Zunächst war er für 23 Wochen in Essen in Untersuchungshaft. Mittlerweile hat er einen weiteren Gefängnisaufenthalt in der JVA Senne angetreten, darf aber in den offenen Vollzug.
Nun steht ihm ein weiterer Prozess vor dem Landgericht Essen bevor. Diesmal geht es um den Vorwurf der Anstiftung zur Untreue zu Middelhoffs Zeiten bei Arcandor (Lesen Sie dazu alles im Kapitel “Middelhoff und Arcandor”).
Alle Informationen zu der Person Middelhoff, seinen beruflichen Stationen und seinen diversen juristischen Auseinandersetzungen finden Sie in diesem Dossier. Klicken Sie sich einfach durch die verschiedenen Kapitel.
Beginnen wir mit Middelhoffs Lebenslauf:
- geboren am 11. Mai 1953 in Düsseldorf
- aufgewachsen als drittes von fünf Kindern einer katholischen Textil-Unternehmerfamilie
- bis 2016 verheiratet mit der Architektin Cornelie Middelhoff, die mittlerweile die Scheidung eingereicht hat
- Middelhoff hat drei Söhne und zwei Töchter
- 1975-1979: Studium der Betriebswirtschaftslehre in Münster Abschlüsse: Diplom, Promotion zum Dr. rer. Oec.
- 1980-1983: Wissenschaftlicher Assistent am Münsteraner Institut für Marketing bei Heribert Meffert
- 1984: Leitung Marketing/Vertrieb sowie Aufbau und Leitung der ausländischen Produktionsstätten der Middelhoff GmbH in Fernost und Griechenland
- 1986: Assistent der Geschäftsleitung der Graphischen Betriebe Mohndruck in Gütersloh bei der Bertelsmann AG
- 1987: Geschäftsführer der Konzerntochter Elsnerdruck GmbH in Berlin
- 1989: Geschäftsführer Mohndruck
- 1990: Vorstandsmitglied der Bertelsmann Druck- und Industriebetriebe
- 1994: Mitglied des Vorstandes der Bertelsmann AG.
(Leiter der Zentralen Unternehmensentwicklung und Koordinator der Multimedia-Geschäfte von Bertelsmann)
- ab Mai 1995: Aufsichtsratmitglied von AOL
- November 1998-Juli 2002: Vorsitzender des Vorstandes der Bertelsmann AG, Gütersloh
- Juni 2004: Als Vertrauter von Madeleine Schickedanz wird Middelhoff zum Vorsitzenden des Aufsichtsrates der KarstadtQuelle AG bestellt
- Mai 2005: Middelhoff wird Vorstandsvorsitzender der KarstadtQuelleAG
- April 2013: Middelhoff verlegt seinen Wohnsitz von Bielefeld nach St. Tropez
- Juli 2013: Bruno Zheng Wu und seine Frau Lan Yang holen Middelhoff (Beteiligung von 20 Prozent) ins Boot, um gemeinsam das Unternehmen BT Capital auszubauen und zu internationalisieren
Middelhoff und Bertelsmann
Die Karriere des Managers beim internationalen Medienunternehmen aus Gütersloh
Ende des Jahres 1986 beginnt für Thomas Middelhoff die Karriere im Bertelsmann-Konzern. Zunächst ist er dort als Assistent der Geschäftsführung für die Mohndruck Graphische Betriebe GmbH in Gütersloh tätig. Innerhalb kürzester Zeit entwickelt sich Middelhoff zu einer der bedeutendsten Führungspersönlichkeiten. Nachdem er sich zusätzlich als Geschäftsführer des Berliner Tochterunternehmens Elsnerdruck GmbH bewährt hat, wird Middelhoff im Jahr 1989 in die Geschäftsführung der Gütersloher Mohndruck GmbH berufen.
Ein Jahr später tritt Middelhoff in den Vorstand der Druck- und Industriebetriebe des Bertelsmann-Konzerns ein, vier Jahre später ist er auch im Vorstand des Gesamtkonzerns vertreten. Er leitet die Zentrale Unternehmensentwicklung und koordiniert die Multimedia-Geschäfte von Bertelsmann. So trägt er dazu bei, dass sich Bertelsmann ab Mitte der 1990er Jahre zu einer internationalen Größe im Bereich der elektronischen Bildungs- und Unterhaltungsmedien entwickelt.
Dabei hilft auch die Zusammenarbeit mit dem US-amerikanischen Online-Dienst America Online (AOL). Allerdings verlässt Bertelsmann das Gemeinschaftsunternehmen AOL-Europe im Sommer 2000 nach der Fusion von AOL mit dem direkten Bertelsmann-Konkurrenten Time Warner und verkauft den 50-Prozent-Anteil für 7,5 Milliarden Euro – der höchste Verkaufserlös, der bis dahin in der Geschichte des Internets erzielt worden ist. Middelhoff verlässt im Zuge dieser Trennung auch den Aufsichtsrat von AOL.
Ab Oktober 1998 übernimmt Middelhoff den Vorsitz im Konzernvorstand der Bertelsmann AG. Noch im selben Jahr übernimmt der Konzern mit Middelhoffs Hilfe die amerikanische Verlagsgruppe Random House - Bertelsmanns Buchsparte wird zum Weltmarktführer.
Middelhoff baut die RTL Group auf und intensiviert die Internetaktivitäten Bertelsmanns unter anderem durch den Start des internationalen Medienportals BOL (Bertelsmann Online). Das nur mäßig erfolgreiche deutsche Portal wird 2002 an buch.de verkauft.
In der knapp vierjährigen Amtszeit des Managers verdoppelt sich der Umsatz der Bertelsmann AG.
Im Jahr 2000 beteiligt sich Bertelsmann unter Middelhoffs Führung an der Musiktauschbörse Napster, die 2002 allerdings Insolvenz anmeldet.
Am 28. Juli 2002 dann die überraschende Trennung zwischen Middelhoff und Bertelsmann: Diese lässt sich auf Differenzen über die zukünftige Strategie des Unternehmens mit Firmenpatriarch Reinhard Mohn zurückführen. Strittig ist zu diesem Zeitpunkt besonders die Frage, ob Bertelsmann an die Börse gebracht (und auf diesem Wege neues Geld zur weiteren Expansion beschafft werden soll) oder ob die weitere Entwicklung aus dem Cashflow finanziert werden soll. Middelhoff erhält eine Abfindung in zweistelliger Millionenhöhe. Sein Nachfolger bei Bertelsmann wird Gunter Thielen.
Verfolgen Sie in unserer Chronik, wie sich das Unternehmen Bertelsmann vor und nach der Ära von Thomas Middelhoff entwickelt hat:
Middelhoff und Arcandor
Wie sich das Unternehmen unter der Regie des Managers entwickelt
Als Vertrauter von Madeleine Schickedanz wird Thomas Middelhoff im Juni 2004 zum Vorsitzenden des Aufsichtsrates der KarstadtQuelle AG nach Essen bestellt. Knapp ein Jahr später wird er Vorstandsvorsitzender.
Ab Juni 2007 heißt die KarstadtQuelle AG dann Arcandor AG. Middelhoff teilt das operative Geschäft in die drei Kernbereiche
- Warenhaus (Karstadt)
- Versandhandel (Primondo)
- Touristik (Thomas Cook)
Damit steigert er den Umsatz um ein Drittel auf 21 Milliarden Euro.
Bis Ende 2008 soll der Sanierungsprozess des von der Insolvenz bedrohten Unternehmens abgeschlossen sein. Arcandor verkauft in einem milliardenschweren Deal die Karstadt-Immobilien an das Goldman-Sachs-Immobilienunternehmen Whitehall und an ein von der Deutsche-Bank-Immobilientochter RREEF geführtes Konsortium.
Karstadt ist nach dem Verkauf nur noch Mieter der Warenhäuser und muss deutlich mehr für die Nutzung der Immobilien zahlen. Die monatlichen Mietzahlungen betragen etwa 23 Millionen Euro, Laufzeit beträgt 15 Jahre.
Im März 2009 verlässt Middelhoff das Unternehmen, kurz darauf beantragt Arcandor in Essen die Eröffnung des Insolvenzverfahrens. Am selben Tag wird bekannt, dass die zuständige Staatsanwaltschaft ein vorläufiges Ermittlungsverfahren wegen Middelhoffs persönlicher Beteiligung am Oppenheim-Esch-Fonds eingeleitet hat. Die Staatsanwaltschaft Essen leitet nach einer Prüfung von Unterlagen am 12. Juni das Ermittlungsverfahren wegen des Vorwurfs der Untreue gegen Middelhoff ein.
Zum Abschied will Middelhoff neben seinem Grundgehalt von 1,2 Millionen Euro noch 2,2 Millionen Euro, als „Bonus, Tantieme und Sondervergütung“ deklariert, mitnehmen – und das, obwohl der Konzern 2008 einen Verlust von 746 Millionen Euro verzeichnet hat.
Rechtliche Folgen für Middelhoff
Im Jahr 2011 will der Insolvenzverwalter der Arcandor AG, Klaus Hubert Görg, Middelhoff in zwei Prozessen 16 Millionen Euro für seiner Meinung nach zu viel bezahlte Boni und 175 Millionen Euro wegen der Karstadt-Grundstücksgeschäfte abnehmen.
Middelhoff habe als Vorstandschef des angeschlagenen KarstadtQuelle-Konzerns 2005 Immobilien des Unternehmens in Karlsruhe, München, Leipzig, Potsdam und Wiesbaden an den Esch-Fonds verkauft und dann zu überhöhten Konditionen zurückgemietet. Nach Auffassung des Insolvenzverwalters hat er dem später in Arcandor umbenannten Konzern dadurch finanziellen Schaden zugefügt. Middelhoff weist die Vorwürfe zurück.
Verfolgen Sie die weiteren Entwicklungen in der Chronik:
März 2012: Eine Strafanzeige von Thomas Middelhoff gegen den früheren Arcandor-Insolvenzverwalter Klaus Hubert Görg wird von der Staatsanwaltschaft Köln nicht weiterverfolgt. Das Verfahren wird mangels hinreichenden Tatverdachts eingestellt. Middelhoff hat Görg versuchten Prozessbetrug vorgeworfen. Er soll im Zivilprozess um Schadenersatz in dreistelliger Millionenhöhe gegen Middelhoff die Akten nicht ausreichend ausgewertet und „falschen Sachvortrag billigend in Kauf“ genommen haben.
25. April 2012: Das Landgericht Essen entscheidet in einem sogenannten Grundurteil, dass Middelhoff und drei weitere Vorstandsmitglieder sich beim Verkauf der Karstadt-Immobilie in Wiesbaden einer Pflichtverletzung schuldig gemacht haben. Middelhoff muss möglicherweise einen Schadenersatz in Millionenhöhe zahlen. Das muss das Oberlandesgericht Hamm überprüfen.
21. Juni 2012: Middelhoff legt gegen das Urteil des Landgerichts Essen Berufung ein.
9. September 2013: Das Landgericht Essen verurteilt Middelhoff zu einer Zahlung von 3,4 Millionen Euro. Bei dem Verfahren geht es um Boni (Middelhoff soll 2,4 Millionen zahlen), um einen Sponsorenvertrag mit der Universität Oxford (800.000 Euro, weil ein formeller Vorstandsbeschluss über den Vertrag fehlt) und um Flüge, die Middelhoff dem Arcandor-Konzern in Rechnung gestellt hatte (120.000 Euro für drei Flüge). Beide Seiten gehen in Berufung. Ab dem 3. September 2014 beschäftigt sich das Oberlandesgericht Hamm mit dem Fall.
Oktober 2013: Middelhoff fordert von den Insolvenzverwaltern Jauch und Görg Schadenersatz. Der Manager beantragt vor dem Landgericht Hagen einen Mahnbescheid in Höhe von 120 Millionen Euro. Er wirft den Insolvenzverwaltern geschäftsschädigende und ehrverletzende unerlaubte Handlungen im Zusammenhang mit der Arcandor-Insolvenz vor. Görg und Jauch legen Widerspruch ein.
19. Mai 2014: Der Insolvenzverwalter des Handelskonzerns Arcandor, Hans-Gerd Jauch, setzt Middelhoff unter Druck. Er lässt Middelhoff im Essener Landgericht vom Gerichtsvollzieher einen Titel über 3,4 Millionen Euro „für eine etwaige Vollstreckung“ zustellen. Die Zustellung des Titels bedeutet noch nicht, dass Middelhoff auch zahlen muss.
Mitte Juni 2014: Insolvenzverwalter Hans-Gerd Jauch hat gegen Middelhoff das Zwangsvollstreckungsverfahren auf den Weg gebracht. Um die Abgabe einer Vermögensauskunft zu erzwingen (Middelhoff ist nicht zu einem anberaumten Offenbarungseid-Termin erschienen), soll eine Gerichtsvollzieherin beim Amtsgericht Essen einen Haftbefehl gegen Middelhoff beantragt haben. Dann gibt die Managerversicherung eine Erklärung ab, wonach sie für die Forderungen des Insolvenzverwalters einstehen wird, soweit sie rechtskräftig festgestellt werden.
20. Juni 2014: Der Haftbefehl ist vom Tisch. Arcandor-Insolvenzverwalter Hans-Gerd Jauch hat die Gerichtsvollzieherin gebeten, die eingeleiteten Vollstreckungsmaßnahmen zurückzunehmen. Middelhoffs Managerversicherung hat schriftlich eine Haftungsgarantie für die geforderten 3,4 Millionen Euro übernommen.
10. Dezember 2014: Im Berufungsverfahren um Bonuszahlungen und Millionen-Abfindungen für Middelhoff und andere Manager verkündet das OLG Hamm das Urteil: Der Rechtsstreit zwischen Insolvenzverwalter Jauch und dem Manager-Team um Middelhoff wird teilweise neu aufgerollt. Der 8. Zivilsenat sehe in dem Streit noch offene Fragen und tritt in die Beweisaufnahme ein. Geklärt werden soll speziell der „dienstliche Charakter“ einiger der mehreren hundert Charterflüge, die sich Middelhoff in seiner Zeit an der Konzernspitze von 2004 bis 2009 vom Unternehmen bezahlen ließ. Jauch bestreitet die dienstliche Notwendigkeit und verlangt die Rückzahlung von mehr als 4 Millionen Euro an Flugkosten. Inklusive der Boni fordert er 16 Millionen Euro. Das OLG will selbst Zeugen anhören.
17. März 2017: Thomas Middelhoff muss sich ab dem 11. Mai erneut vor dem Essener Landgericht verantworten. Der Vorwurf diesmal: Anstiftung zur Untreue, so ein Gerichtssprecher. Mit Middelhoff werden auf der Anklagebank sechs ehemalige Aufsichtsratsmitglieder von Arcandor Platz nehmen. Ihnen wird Untreue vorgeworfen. Im Mittelpunkt der Anklage steht eine Bonuszahlung in Höhe von rund 2,3 Millionen Euro an Middelhoff, die die Aufsichtsräte im November 2008 bewilligt hatten. Nur Monate später musste der Konzern Insolvenz anmelden. Middelhoff selbst wird zur Last gelegt, dass er auf den Aufsichtsrat eingewirkt habe, den Sonderbonus zu zahlen. Sein Anwalt Hartmut Fromm erklärte, der Vorwurf sei für ihn “nicht nachvollziehbar”. Ein Vorstand habe eigentlich keine Treuepflicht, wenn er mit dem Aufsichtsrat über seinen Bonus verhandele. Dies solle nun mit dem Vorwurf der Anstiftung ausgehebelt werden. Für den Prozess sind insgesamt 34 Verhandlungstage bis zum 21. Dezember 2017 vorgesehen.
Middelhoff und die Untreue
Alles zum Prozess vor dem Essener Landgericht
Wegen des Verdachts der Untreue muss sich Thomas Middelhoff ab Mitte 2013 vor dem Landgericht Essen verantworten. Als Arcandor-Vorstandsvorsitzender soll er private Charterflüge über das Unternehmen abgerechnet haben. Es geht um einen Betrag mindestens im hohen sechsstelligen Bereich. Hier finden Sie alle Informationen zu dem Prozess:
Die Anklage
Juni 2013: Die Bochumer Schwerpunktstaatsanwaltschaft für Wirtschaftskriminalität erhebt gegen Middelhoff am Landgericht Essen Anklage.
Februar 2014: Das Landgericht Essen lässt die Anklage gegen Middelhoff zu.
Der Prozess
5.Mai 2014: Prozessauftakt vor dem Landgericht Essen. Die Bochumer Staatsanwälte Helmut Fuhrmann und Daniele Friese lesen die Anklageschrift vor. Middelhoff werden 49 Fälle von Untreue zur Last gelegt. Es geht um genau 1.125.897,67 Euro. Größtenteils handelt es sich um Flüge mit Charterflugzeugen, die von Arcandor bezahlt wurden, nach Auffassung der Ankläger aber privaten Zwecken dienten. Außerdem geht es um eine von Arcandor gesponserte Festschrift für den früheren Bertelsmann-Chef Mark Wössner.
Die Vorwürfe
- Middelhoff soll in der Zeit von Mai 2005 bis Februar 2009 allein in 48 Fällen Charterflüge mit mehr oder weniger privatem Zweck nach New York, London oder Südfrankreich aus den Kassen des Arcandor-Konzerns beglichen haben
- In etlichen Fällen ging es auch „nur“ um Flüge mit einem Helikopter von seinem Wohnsitz in Bielefeld zur Essener Konzernzentrale oder nach Düsseldorf
- Ein Sonderfall unter den Vorwürfen der Ankläger ist eine Festschrift für Mark Wössner, Middelhoffs Vorgänger als Bertelsmann- Chef, zu dessen 70. Geburtstag im Jahr 2008
- Allein dafür soll Arcandor 180.000 Euro ausgegeben haben, obwohl das dem Unternehmen nicht diente, behaupten die Staatsanwälte – Wössner sei nur ein privater Freund Middelhoffs aus gemeinsamen Zeiten bei Bertelsmann gewesen.
Middelhoffs Antwort
Middelhoff weist alle Vorwürfe zurück. Fast drei Stunden lang spricht er über seine beruflichen Stationen, seine Familie mit fünf Kindern, erklärt den Aufbau seines Vermögens und seine Verdienste für Bertelsmann und später für Arcandor. „Man muss feststellen, dass die Staatsanwaltschaft im Zusammenspiel mit der Insolvenzverwaltung nichts unversucht lässt, um mich zu kriminalisieren und als Verantwortlichen für die Insolvenz darzustellen“, klagt er.
12. Mai 2014: Panne im Prozess: Wegen eines Formfehlers hat das Untreueverfahren noch einmal von vorne beginnen müssen. Die Richter in Essen haben es am ersten Prozesstag versäumt, einen Kammerbeschluss zu einer möglichen Befangenheit einer Schöffin, die in den 90er Jahren als Vorstandssekretärin bei Karstadt gearbeitet hat, herbeizuführen. Die mehr als einstündige Verlesung der Anklage und eine umfangreiche persönliche Erklärung Middelhoffs müssen wiederholt werden.
Die Zeugen
11. Juni 2014: Quelle-Erbin Madeleine Schickedanz bestreitet, Middelhoff die Bezahlung aller Privatflüge im Charterjet zugesagt zu haben. Sie habe nur in einem Fall vorgeschlagen, Middelhoff solle einen Privatjet nutzen. Dabei sei sie davon ausgegangen, dass es sich um einen dienstlichen Flug handele. Allerdings räumt die 70-Jährige ein, dass sie nicht ausschließen könne, dass ihr Vermögensverwalter Josef Esch in ihrem Namen derartige Absprachen getroffen habe.
28. Juli 2014: 17. Verhandlungstag: Middelhoffs Fahrer wird als Zeuge gehört. Der berichtet von 15-Stunden-Tagen des Arcancor-Chefs. Auch während der Fahrten im Dienstwagen habe der Manager praktisch ununterbrochen gearbeitet. Allerdings wurde Middelhoff dafür gut bezahlt.
20. August 2014: Das Ausscheiden von Thomas Middelhoff als Arcandor-Chef beschert der von ihm damals regelmäßig genutzten Charterflugfirma spürbare Umsatzeinbußen. „Das hat man schon gemerkt. Das hat eine ganze Zeit gedauert, bis wir das wieder aufgefangen haben“, sagt der Geschäftsführer der Firma Challenge Air vor Gericht.
22. August 2014: Ein früherer Mitarbeiter sagt als Zeuge aus. Demnach habe Middelhoff seine umstrittenen Charterflüge überwiegend zur Arbeit genutzt. „Das war ein fliegendes Büro für ihn“.
26. August 2014: Josef Esch soll als Zeuge aussagen, doch er verweigert mit Verweis auf den Untreueprozess gegen ihn und Manager der Sal. Oppenheim-Bank die Aussage. Als Vorstandschef beauftragte Middelhoff ab 2005 die kleine Charterflugfirma Challenger Air mit der Durchführung vieler seiner strittigen Flüge - es war die Charterflugfirma seines Vermögensverwalters Esch.
1. Oktober 2014: Als Zeugin stützt Middelhoffs Ehefrau Cornelie die Aussage ihres Mannes. „Er hat eigentlich immer gearbeitet, immer, immer.“ – auch an Wochenenden und auf gemeinsamen Ferienreisen. Manchmal sei er nur zum Essen aus seinem Arbeitszimmer herausgekommen, die Familie habe zurückstehen müssen. Es habe öfter Diskussionen gegeben, warum immer die Firma Vorrang habe. Aber geändert habe das nichts. „Er hat immer gesagt, dass so viele Arbeitsplätze davon abhängen. Das habe ich eingesehen.“
30. Oktober 2014: Die Staatsanwaltschaft beantragt eine Freiheitsstrafe von drei Jahren und drei Monaten. Middelhoff habe sich in 44 Fällen der - teils schweren – Untreue und in drei Fällen der Steuerhinterziehung schuldig gemacht. Er habe seinem Ex-Arbeitgeber einen Gesamtschaden von 808.565 Euro zugefügt. In einem vierstündigen Plädoyer begründen die Ankläger ihre Haftforderung. Wenn sich Middelhoff auf Zeitnot berufe, sei dies in vielen Fällen aber nicht Arcandor anzulasten - es sei die Folge seiner zahlreichen Nebenjobs.
Das Urteil
14. November 2014: Middelhoff wird zu drei Jahren Haft verurteilt. Das Landgericht Essen spricht Middelhoff der Untreue in 27 Fällen und der Steuerhinterziehung in drei Fällen schuldig. Nach Auffassung des Gerichts stellte der Manager in 26 Fällen ganz oder überwiegend privat veranlasste Flüge mit Charterjets und Hubschraubern zu Unrecht dem Arcandor-Konzern in Rechnung. Auch eine Festschrift für den Middelhoff-Mentor Mark Wössner sei fälschlich vom Unternehmen bezahlt worden. Den Gesamtschaden für das ohnehin angeschlagene Unternehmen beziffert das Gericht auf rund 500.000 Euro. Das Urteil ist noch nichts rechtskräftig. Das Gericht erlässt einen Haftbefehl wegen Fluchtgefahr. Ein noch am selben Tag anberaumter Haftprüfungstermin ergibt, dass Middelhoff zunächst in U-Haft bleiben muss, er kann keinen gültigen Ausweis vorlegen. Sein Anwalt Winfried Holtermüller kündigt an, in Revision zu gehen. Damit kommt der Fall vor den Bundesgerichtshof.
Anklage Nummer 2
14. Januar 2015: Die nächste Anklage gegen den in Haft sitzenden Middelhoff: Die Bochumer Staatsanwaltschaft für Wirtschaftskriminalität wirft Middelhoff in einem weiteren Punkt Untreue zu Lasten des Konzerns Arcandor vor. Hintergrund sei eine Zahlung von Arcandor in Höhe von rund 800.000 Euro aus dem Jahr 2009 an die Uni Oxford -eine Sponsoringmaßnahme. Es bestehe der Verdacht, dass es für das Unternehmen keinen entsprechenden Gegenwert gegeben habe. Middelhoff soll aber einen Posten an der britischen Universität erhalten haben.
9. Februar 2016: Das Landgericht Essen bestätigt, dass die Richter ein Strafverfahren gegen Middelhoff im „Oxford-Fall“ abgelehnt haben. Das Gericht meint, Middelhoffs Entscheidung habe im Rahmen seines Ermessensspielraums gelegen. Gegen die Abweisung der Klage hat die Staatsanwaltschaft aber sofortige Beschwerde eingelegt. Das Oberlandesgericht Hamm muss nun entscheiden.
23. Juni 2016: Und das OLG Hamm entscheidet, dass das Verfahren gegen Thomas Middelhoff eingestellt wird.
Middelhoff in Haft
Wegen Fluchtgefahr wird der Manager in der Essener JVA untergebracht
20. November 2014: Das Landgericht Essen hält den Haftbefehl gegen Middelhoff aufrecht, weil „weiterhin Fluchtgefahr“ bestehe. Drei Gründe gibt es für die Fortdauer der Haft:
- die zu erwartende Freiheitsstrafe, zu der Middelhoff wegen Untreue verurteilt worden ist
- weitere laufende Ermittlungsverfahren, die in Bochum und München anhängig sind. In Bochum wird geprüft, ob die von Middelhoff nach seinem Abschied 2009 von Arcandor bezogenen Bonuszahlungen als Untreue zu werten sind; ob die im Sommer unter Eid von ihm gemachten Angaben zu seiner Vermögenssituation vollständig und korrekt waren; ob Middelhoff sich im Zusammenhang mit der Arcandor-Pleite eines Bankrott-Deliktes schuldig gemacht hat. In München ermittelt die Staatsanwaltschaft, ob Middelhoff im Kirch-Prozess eine falsche Aussage zugunsten der Deutschen Bank gemacht hat
- Middelhoffs „unklare finanzielle Situation, die auch durch zwischenzeitlich eingereichte Unterlagen nicht transparent geworden“ sei
21. November 2014: Der Fall Middelhoff beschäftigt nun auch den Bundesgerichtshof, der Ex-Manager hat gegen das Urteil des Essener Landgerichts Revision eingelegt.
Mehrere Haftbeschwerden
25. November 2014: Middelhoff kämpft juristisch darum, aus der U-Haft entlassen zu werden. Beim Landgericht Essen ist eine Haftbeschwerde eingegangen. Sollte die Kammer diese Beschwerde ablehnen, muss das OLG Hamm darüber entscheiden.
18. Dezember 2014: Middelhoff bleibt weiter in Haft, das OLG Hamm verwirft seine Haftbeschwerde als unbegründet. Es bestehe nach wie vor Fluchtgefahr. Außerdem habe Middelhoff dem Landgericht Essen nach seiner Festnahme zunächst die Existenz eines zweiten Reisepasses mit einem gültigen Visum für die Volksrepublik China verschwiegen.
26. Januar 2015: Bisher ist noch nicht einmal die Urteilsbegründung für das Urteil des Landgerichts Essen fertig. Erst wenn das Urteil vorliegt, können Middelhoffs Anwälte die schriftliche Begründung für die Revision beim Bundesgerichtshof verfassen. Vorher geht Middelhoffs Akte aber noch zur Staatsanwaltschaft Bochum und zum Generalbundesanwalt.
9. Februar 2015: Die Anwälte Middelhoffs legen gegen den am 21. Januar 2015 gefassten Haftfortdauerbeschluss des Landgerichts Essen Beschwerde ein. Nun muss das OLG Hamm entscheiden. Es ist der vierte Anlauf, aus der Haft freizukommen.
17. März 2015: Das OLG Hamm verwirft die am 9. Februar eingelegte Haftbeschwerde Middelhoffs als unbegründet. Weiterhin sei die Fluchtgefahr des Exmanagers groß. Das Angebot von Familienmitgliedern und engen Freunden, eine Kaution von 900.000 Euro als Sicherheitsleistung zu erbringen, lehnt das Gericht als unzureichend ab. Auch neue Argumente zu der gesundheitlichen Situation können die Richter nicht erweichen.
In der Haft erkrankt
6. April 2015: Es wird bekannt, dass Middelhoff in der Haft schwer erkrankt ist. Seine Anwälte erheben Vorwürfe gegen die Haftanstalt. Middelhoff habe über einen Zeitraum von 672 Stunden – rund vier Wochen – nicht schlafen können, weil er tagsüber und nachts alle 15 Minuten geweckt wurde, heißt es in einer Haftbeschwerde. Von Mitte November bis Mitte Dezember sei Middelhoff in seiner Zelle ständig kontrolliert worden, weil die Essener Justiz Suizidgefahr gesehen habe. Middelhoff leide inzwischen an der seltenen Autoimmunerkrankung Chilblain Lupus.
7. April 2015: Middelhoff wird zur stationären Behandlung ins Universitätsklinikum Essen eingeliefert. Seine bereits vor Monaten festgestellte Erkrankung an der seltenen Autoimmunkrankheit Chilblain Lupus hat sich laut der Anwälte durch den permanenten Schlafentzug in der Haft weiter verschlechtert. Das Landgericht Essen hat den von den Anwälten geforderten Haftprüfungstermin für den 16. April anberaumt.
Die Erkrankung, bei der sich das Immunsystem gegen die gesunden Zellen des Körpers richtet, löst bläuliche Schwellungen der Haut aus, vor allem im Gesicht, an den Ohren, Zehen und Fingern. Middelhoff soll auch unter Wassereinlagerungen und Geschwulsten an den Unterschenkeln leiden. Er soll mehr als zehn Kilo Gesicht verloren haben; bei einer Größe von 1,91 Meter wiege er kaum noch 75 Kilo.
9. April 2015: Das NRW-Justizministerium wehrt sich gegen die Vorwürfe. Die Zelle Middelhoffs sei bei nächtlichen Kontrollen nicht von JVA-Mitarbeitern betreten worden, die Tür nicht geöffnet. Die Überwachung hat laut Meldebuch der entsprechenden JVA-Abteilung im Rhythmus von etwa 15 Minuten durch den Türspion stattgefunden. Dabei werde nachts von außen das Licht in der Zelle „für einen kurzen Moment“ eingeschaltet. Die öffentliche Diskussion über Middelhoffs Behandlung wird derweil zum Politikum. Die Grünen-Politikerin Renate Künast, Vorsitzende des Rechtsausschusses im Bundestag, spricht von einer Verletzung der Menschenrechte. „Andauernder faktischer Schlafentzug durch sogenannte Selbstmordprävention zerstört einen Menschen physisch und psychisch.“
16. April 2015: Richter, Staatsanwälte, Ärzte und Verteidiger kommen zum Haftprüfungstermin zusammen, weil Middelhoffs Anwälte ihn wegen seiner Krankheit für haftunfähig halten. Eine Entscheidung wird vertagt.
20. April 2015: Nach mehr als fünf Monaten Untersuchungshaft setzt die 15. Große Strafkammer des Landgerichts Essen den Haftbefehl gegen Thomas Middelhoff außer Vollzug. Als Auflage fordert das Gericht die Hinterlegung einer Kaution in Höhe von 895.000 Euro. Außerdem soll Middelhoff seinen ersten Wohnsitz wieder in Bielefled anmelden und sich dreimal in der Woche persönlich bei der Polizei vorstellen.
Wieder frei
29. April 2015: Nach mehr als fünf Monaten wird Thomas Middelhoff aus der Untersuchungshaft entlassen. Die fällige Kaution in Höhe von 895.000 Euro ist auf einem Konto der Gerichtskasse angekommen, die beiden Reisepässe Middelhoffs sind hinterlegt worden. Die Behörde macht keine Angaben dazu, wer die Kaution gestellt hat.
Doch wieder Haft?
22. Februar 2016: 23 Wochen lang musste Thomas Middelhoff es von November 2014 bis April 2015 in der Essener Haftanstalt aushalten. Nun droht ihm die Fortsetzung des Gefängnisaufenthalts: Der Bundesgerichtshof in Karlsruhe hat die Revision gegen den Schuldspruch des Landgerichts Essen verworfen. Das Urteil ist damit rechtskräftig.
12. April 2016: Es wird bekannt, dass der zu drei Jahren Gefängnis verurteilte frühere Arcandor-Chef die Ladung zum Haftantritt erhalten hat. In vier Wochen muss sich Thomas Middelhoff somit in einer Haftanstalt einfinden. Er versucht jedoch den Haftantritt zu verhindern und hat Einwendungen gegen die Anordnung erhoben. Diese werden nun von der Staatsanwaltschaft geprüft.
Neuer Job
2. Mai 2016: Der Haftantritt verzögert sich. Erst einmal tritt Thomas Middelhoff eine neue Tätigkeit in einer Behindertenwerkstatt in Bielefeld-Eckardtsheim an. Dort fertigen die Mitarbeiter Kabel und Beschläge für die Autozuliefer- und die Möbelbranche an. Middelhoff wird künftig mit Hilfsarbeiten wie Hauswirtschaft, Botengängen und Materialtransport betraut sein und damit 1.785 Euro brutto verdienen. „Tisch decken, abdecken, aufräumen, Dinge von A nach B tragen”, so Martin Henke, Geschäftsführer der Bethelschen Rehabilitations-Werkstätten „Pro Werk”, über Middelhoffs Aufgaben-Bereich. Ein solches Anstellungsverhältnis würde ihm unter Umständen den Haftvollzug als Freigänger ermöglichen. Middelhoffs verdientes Geld geht direkt an den Insolvenzverwalter, wie sein Rechtsanwalt Hartmut Fromm erläutert.
Haftantritt in Senne
13. Mai 2016: Nach einiger Verzögerung tritt Thomas Middelhoff seine Haft in der JVA Senne an. Anstaltskleidung muss Middelhoff zunächst nicht tragen. Er könne – wie jeder andere – einen Fernseher mitbringen, aber Handy, Internet und Alkohol seien für ihn wie für alle anderen Häftlinge tabu. Ein eigenes Badezimmer gebe es nicht, die sanitären Anlagen werden gemeinschaftlich genutzt.
20. Mai 2016: Middelhoff darf in den offenen Vollzug. Es hätten sich im mehrtägigen Aufnahmeverfahren mit Medizinchecks und längeren Gesprächen keine Hinweise für Fluchtgefahr oder die Gefahr neuer Straftaten ergeben, sagte die Leiterin der Justizvollzugsanstalt Bielefeld-Senne, Kerstin Höltkemeyer-Schwick. Damit diese Entscheidung Bestand habe, müsse Middelhoff sich natürlich weiter an die Regeln halten. Als Freigänger darf der 63-Jährige nun wieder in der Behindertenwerkstatt außerhalb der Anstalt arbeiten.
Middelhoff und Roland Berger
Der Streit zwischen zwei ehemals guten Geschäftspartnern
24. Mai 2014: Unternehmensberater Roland Berger fordert von Middelhoff per Gerichtsvollzieher 6,79 Millionen Euro. Middelhoff schuldet ihm diese Summe angeblich aus einem missratenen Investmentgeschäft.
Mitte Juni 2014: Im Zusammenhang mit der Millionen-Euro-Forderung von Roland Berger muss Middelhoff eine Taschenpfändung über sich ergehen lassen.
24. Juli 2014: Eine einstweilige Einstellung der Zwangsvollstreckung wird Middelhoff durch das Bielefelder Landgericht gewährt - unter der Bedingung, dass er mehr als 7,5 Millionen Euro Sicherheitsleistung hinterlegt. Das gelingt ihm nicht.
25. Juli 2014: Middelhoff sorgt mit einer filmreifen Flucht nach einem Termin beim Gerichtsvollzieher für Aufsehen. Vor dem Gerichtsvollzieher gibt er über seine Vermögensverhältnisse Auskunft – und ist anschließend aus einem Fenster geklettert und über ein Garagendach geflüchtet, um wartenden Journalisten zu entgehen. „Ich bin wie die Katze übers Dach. Ich musste drei Meter tief auf eine Garage springen und dann noch einmal drei Meter auf die Straße.“
12. August 2014: Middelhoff schlägt gegen Roland Berger zurück: Er reicht in Bielefeld eine Vollstreckungsklage ein, um Bergers Forderung anzufechten und eine Gegenforderung zu erheben. Der fällige Prozesskostenvorschuss von mehr als 80.000 Euro wird bezahlt. Die Verhandlung soll am 5. Dezember vor dem Bielefelder Landgericht stattfinden. Zuvor will Middelhoff noch eine Gesellschafterversammlung der „GbR BLM“ einberufen, jener Firma, die die Aktien des Investment-Vehikels Germany 1 hält. Middelhoff fordert ein Regressverfahren, weil Roland Berger als Geschäftsführer zu spät gehandelt und damit seine Pflichten verletzt habe.
19. August 2014: Middelhoff lädt seine ehemaligen Geschäftspartner Roland Berger und Florian Lahnstein zu einer Gesellschafterversammlung ein, um über die gemeinsame Firma und Bergers offene Forderungen zu reden. Doch der Münchner Unternehmensberater kommt ebenso wenig wie Lahnstein.
2. April 2015: Eigentlich soll vor dem Landgericht Bielefeld der Zivilprozess Thomas Middelhoff gegen Roland Berger beginnen. Doch wegen des Insolvenzantrages wird der Prozessbeginn erst einmal verschoben. Middelhoff wehrt sich als Kläger gegen Berger, der einer seiner Gläubiger ist und von Middelhoff 6,79 Millionen Euro fordert – Middelhoffs Anteil aus dem gemeinsamen Verlustgeschäft. In einer notariellen Urkunde hat Middelhoff diese Forderung im April 2013 sogar bestätigt. Doch nun behauptet Middelhoff, die anerkannte Forderung bestehe gar nicht. Middelhoff fordert in der Vollstreckungsabwehrklage die Urkunde zurück. Auch macht er nun selbst Schadenersatzansprüche gegen Berger in Höhe von 6,86 Millionen Euro geltend, weil Berger treuhänderische Pflichten aus einer Vereinbarung verletzt habe.
Middelhoff und die Insolvenz
Gläubiger verlangen Millionen, die Middelhoff nicht zahlen kann
Der inhaftierte Thomas Middelhoff ist zahlungsunfähig und hat Antrag auf Privatinsolvenz gestellt. Gegen ihn laufen nicht nur mehrere Klagen, Gläubiger verlangen auch Millionen. Hier finden Sie alles zu Middelhoffs Insolvenz:
Juli 2014: Middelhoff kann Kredite bei der Sparkasse Köln/Bonn nicht mehr bedienen. Die Forderungen des Instituts belaufen sich auf drei Millionen Euro. Rund 40 deutsche Millionäre sollen für Middelhoffs Schulden einspringen, darunter Bankerbe Wilhelm von Finck und die Kunstsammlerin Claudia Oetker, erste Ehefrau von Arend Oetker. Die Millionäre haben wie Cornelie und Thomas Middelhoff Beteiligungen bei Oppenheim-Esch-Fonds, die aus steuerlichen Gründen mit Krediten finanziert werden. Das Ehepaar Middelhoff hat für einen dreistelligen Millionenwert 15 Anteile bei acht verschiedenen Oppenheim-Esch-Fonds gezeichnet. Im Mittelpunkt stehen aber vor allem Kölner-Messe-Fonds, die für den Neubau der Messe dienten und die von der Sparkasse Köln-Bonn mitfinanziert wurden. Middelhoffs Anwalt Holtermüller hält die Fondsbeitritte für unwirksam und hat deren Rückabwicklung beantragt. Damit seien die Kredite als verbundene Geschäfte ebenfalls unwirksam.
20. August 2014: Middelhoff wird bei einer Taschenpfändung eine Piaget-Uhr abgenommen, eine Uhr zum Listenpreis von mehr als 20.000 Euro. In seiner Vermögensauskunft vom 25. Juli 2014 fehlt die Uhr. Middelhoffs Umfeld begründet das damit, dass die Uhr vor gut 15 Jahren nur rund 5.000 Euro gekostet habe. Später wird diese Uhr für 10.350 Euro versteigert. Bei der Staatsanwaltschaft Essen geht eine Strafanzeige wegen des Verdachts der Abgabe einer falschen eidesstattlichen Versicherung ein. Bis zu 3 Jahren Haft sind möglich.
31. März 2015: Middelhoff beantragt beim Amtsgericht Bielefeld Privatinsolvenz. Zum vorläufigen Insolvenzverwalter wird der Rechtsanwalt Thorsten Fuest in Bielefeld bestellt. Middelhoffs Anwalt Hartmut Fromm begründet den Schritt damit, dass sein Mandant zurzeit nicht in der Lage sei, „eine fällige Einkommenssteuerforderung der Finanzverwaltung zu erfüllen“. Außerdem werde nach wie vor ein großer Teil des Vermögens von der Sal. Oppenheim-Bank blockiert.
2. April 2015: Insolvenzverwalter Thomas Fuest erklärte dass Middelhoff sich mit den Forderungen von „mindestens 50 Gläubigern“ konfrontiert sehe. Die Höhe der Verbindlichkeiten ist allerdings noch unklar – auch weil erhebliche Teile der Forderungen rechtlich umstritten sind und Gerichte beschäftigen.
7. Mai 2015: Der Makler Agence Riviera bietet Middelhoffs “Villa Aldea” in Saint Tropez öffentlich zum Verkauf an. Mit Blick auf die französische Côte d’Azur wird das Haus angepriesen. Zwölf Schlafzimmer und elf Badezimmer auf 900 Quadratmetern Wohnfläche bietet es. Zum insgesamt 30.000 Quadratmeter großen Anwesen gehören Swimming Pool, Tennisplatz und Fitnessraum. Die Villa hat Middelhoff im Jahr 2003 für rund 3,5 Millionen Euro gekauft und anschließend aufwendig mit einem Millionenkredit saniert, den die Privatbank Sal. Oppenheim der Centurion Asset Management KG gewährte, bei der Middelhoff Mehrheitsgesellschafter war.
15. Juni 2015: Thomas Middelhoff muss nun doch um Haus und Vermögen fürchten, die er vor seiner Privatinsolvenz an ein Firmengeflecht übertragen hatte, hinter dem seine Frau und die fünf Kinder sowie sein Anwalt Hartmut Fromm stehen. Denn das Gericht ermächtigt Insolvenzverwalter Thorsten Fuest, Übertragungen von Vermögenswerten rückgängig zu machen. Es soll um eine Summe von 90 Millionen Euro gehen, die Forderungen sollen sich auf 104 Millionen Euro belaufen.
25. Juni 2015: Es wird bekannt, dass sich Familie Middelhoff von dem großzügigen Anwesen im Bielefelder Süden, zu dem mehrere Häuser gehören, trennen möchte. Auf einen Teil der Immobilien erhält Middelhoffs vorläufiger Insolvenzverwalter Thorsten Fuest Zugriff zur Verwertung. Dazu gehört das frühere Haus des Unternehmers August Oetker, der einst der Nachbar war. Auf die Immobilie hat dem Vernehmen nach das Bankhaus Lampe Pfandrechte in siebenstelliger Höhe. Thomas Middelhoff hat das vier Hektar große Grundstück und die 1.000 Quadratmeter große Villa im Jahr 2009 gekauft, um dort Büros einzurichten. Die ursprüngliche Familienvilla, in der viele Jahre lang Thomas und Cornelie Middelhoff mit ihren fünf Kindern lebten, gehört weiterhin maßgeblich der Ehefrau des Managers und zählt nicht zur Insolvenzmasse. Aber auch diese Immobilie solle verkauft werden.
3. Juli 2015: Gut drei Monate nach der Pleite Middelhoffs eröffnet das Amtsgericht Bielefeld das Insolvenzverfahren. Aufgabe von Insolvenzverwalter Thorsten Fuest ist es nun, Middelhoffs Vermögen zu Geld zu machen, um die Forderungen von rund 50 Gläubigern zu befriedigen. Die Schulden betragen nach Fuests Angaben „weit mehr als 100 Millionen Euro“, auf dem Treuhandkonto sind allerdings erst 600 Euro. Die Liste der Gläubiger ist lang. Sie reicht vom Unternehmensberater Roland Berger über den Arcandor-Insolvenzverwalter bis zur Sparkasse Köln-Bonn.
10. August 2015: Thomas Middelhoff wird die Fachwerk-Villa im Süden Bielefelds räumen müssen, damit Insolvenzverwalter Thorsten Fuest sie verkaufen kann. Die Villa habe 3,4 Millionen Euro Verkehrswert und sei durch eine Hypothek der Lampe-Bank von 1,62 Millionen Euro belastet.
21. September 2015: Die erste Gläubigerversammlung in Bielefeld vor dem Amtsgericht: Rund 50 Gläubiger haben Forderungen in Höhe von 409 Millionen Euro angemeldet, wie Insolvenzverwalter Thorsten Fuest bekanntgibt. Über das verwertbare Vermögen, also die Insolvenzmasse, möchte er allerdings noch keine Angaben machen. Die Gläubiger hätten Maximalforderungen angemeldet, um ihre Rechtspositionen zu wahren.
30. September 2015: Die Luxusvilla in St.Tropez ist verkauft. Statt erhoffter 25 bis 30 Millionen Euro bezahlt der Banker Edward Eisler aus London 23 Millionen Euro dafür. Ob das Geld an den Insolvenzverwalter fließt, ist offen. Die mit hohen Hypotheken belastete Villa gehörte der Centurion Asset Management KG. Deren Kommanditist ist inzwischen Middelhoffs Anwalt Hartmut Fromm.
2. Mai 2016: Thomas Middelhoff tritt eine neue Tätigkeit in einer Behindertenwerkstatt in Bielefeld-Eckardtsheim an. Dort fertigen Mitarbeiter Kabel und Beschläge für die Autozuliefer- und die Möbelbranche an. Middelhoff wird künftig mit Hilfsarbeiten wie Hauswirtschaft, Botengängen und Materialtransport betraut sein und damit 1.785 Euro brutto verdienen. Das Geld geht direkt an den Insolvenzverwalter, wie sein Rechtsanwalt Hartmut Fromm erläutert.
13. Mai 2016: Nach einiger Verzögerung tritt Thomas Middelhoff seine Haft in der JVA Senne an.
20. Mai 2016: Middelhoff darf in den offenen Vollzug. Es hätten sich im mehrtägigen Aufnahmeverfahren mit Medizinchecks und längeren Gesprächen keine Hinweise für Fluchtgefahr oder die Gefahr neuer Straftaten ergeben, sagte die Leiterin der Justizvollzugsanstalt Bielefeld-Senne, Kerstin Höltkemeyer-Schwick. Damit diese Entscheidung Bestand habe, müsse Middelhoff sich natürlich weiter an die Regeln halten. Als Freigänger darf der 63-Jährige nun auch wieder in der Behindertenwerkstatt außerhalb der Anstalt arbeiten.
30. Juni 2016: Middelhoffs Ehefrau Cornelie reicht die Scheidung ein. Das kann Folgen für die Gläubiger haben. Denn die Eheleute leben in einer “Zugewinngemeinschaft”. Das heißt, wenn Cornelie Middelhoff etwas verdient, steht ihrem Mann die Hälfte davon zu. Das Geld würde also in die Insolvenzmasse einfließen. Bei einer Scheidung wäre die “Zugewinngemeinschaft” hinfällig - und die Gläubiger müssten auf Millionenbeträge verzichten, die sonst in die Insolvenzmasse eingeflossen wären.
1. Juli 2016: Middelhoffs Insolvenzverwalter Thorsten Fuest lässt mitteilen, dass er für seinen Mandanten einen Vergleich mit der Privatbank Sal. Oppenheim geschlossen habe. Sämtliche Rechtsverhältnisse seien “geklärt”. Beobachter gehen davon aus, dass die Bank einen Geldbetrag zahlt, der in die Insolvenzmasse fließt. Damit kann Middelhoff diesen einen von vielen Rechtsstreits zu den Akten legen.
Middelhoff und Sal. Oppenheim
Zivilrechtlich geht das Ehepaar Middelhoff gegen das Bankhaus vor
Das Ehepaar Middelhoff verklagt das Bankhaus Sal. Oppenheim auf mehr als 100 Millionen Euro. Es geht um Schadensersatz und die Rückabwicklung der privaten Investitionen. Die Informationen:
Juli 2013: Thomas Middelhoff und seine Frau Cornelie verklagen das Bankhaus Sal. Oppenheim auf Zahlung von 101 Millionen Euro. Darin enthalten sind 22 Millionen Euro, die auf einem Middelhoff-Festgeldkonto bei der Bank liegen und von ihr nicht freigegeben werden, außerdem 76,5 Millionen, die das Paar bei seinen Krediten bereits getilgt oder an Zinsen gezahlt habe. Das Ehepaar wirft Sal. Oppenheim und Esch Falschberatung bei verlustreichen Immobilienfonds-Investments vor.
Dezember 2013: Sal. Oppenheim reagiert auf die Klage der Middelhoffs mit einer Gegenklage vor dem Kölner Landgericht. Die Bank fordert 77,8 Millionen Euro von dem Ehepaar, das seine für die Immobilienfonds aufgenommenen Kredite nicht mehr bedienen will.
18. November 2014: Vor der 21. Zivilkammer des Landgerichts Köln beginnt der Prozess: Thomas und Cornelie Middelhoff verklagen die Bank Sal. Oppenheim, die mittlerweile zur Deutschen Bank gehört, auf mehr als 100 Millionen Euro. Die Middelhoffs fordern die Rückabwicklung ihrer Investitionen plus Schadensersatz sowie die Freigabe von eingefrorenen Festgeldern in Höhe von 23 Millionen Euro.
Wenn die Klage Erfolg hat, ist Middelhoff am Ende wieder ein reicher Mann. Große Hoffnung machen die Richter ihm aber nicht. Der inhaftierte Middelhoff selbst sagt am ersten Verhandlungstag nicht aus.
30. Juni 2016: Middelhoffs Ehefrau Cornelie reicht die Scheidung ein. Das kann Folgen für die 50 Gläubiger haben. Denn die Eheleute leben in einer “Zugewinngemeinschaft”. Das heißt, wenn Cornelie Middelhoff etwas verdient, steht ihrem Mann die Hälfte davon zu. Das Geld würde also in die Insolvenzmasse einfließen. Bei einer Scheidung wäre die “Zugewinngemeinschaft” hinfällig - und die Gläubiger müssten auf Millionenbeträge verzichten, die sonst in die Insolvenzmasse eingeflossen wären.
1. Juli 2016: Middelhoffs Insolvenzverwalter Thorsten Fuest lässt mitteilen, dass er für seinen Mandanten einen Vergleich mit Sal. Oppenheim geschlossen habe. Sämtliche Rechtsverhältnisse seien “geklärt”. Beobachter gehen davon aus, dass die Bank einen Geldbetrag zahlt, der in die Insolvenzmasse fließt. Damit kann Middelhoff diesen einen von vielen Rechtsstreits zu den Akten legen. Für Cornelie Middelhoff geht indes der juristische Kampf weiter. Sie fordert unbeirrt 32 Millionen Euro von der Bank, weil sie beim Kauf von Immobilienfonds falsch beraten worden sei.
12. Juli 2016: Das Bankhaus Sal. Oppenheim hat sich mit einer Zivilklage gegen eine Grundstücksgesellschaft der Familie Middelhoff durchgesetzt. Das Landgericht Bielefeld entschied, die Firma müsse die Zwangsvollstreckung in ihr Immobilienvermögen dulden. Dazu gehören Grundstücke im Bielefelder Stadtteil Senne, die Cornelie Middelhoff (63) an die Gesellschaft übertragen hatte. Die Bank fordert mehr als zehn Millionen Euro von Cornelie Middelhoff.