Meine Fahrt im Nachtzug der Bahn

Franz Purucker

Der Bielefelder Hauptbahnhof fällt über Nacht in einen Tiefschlaf. Außer auf Gleis 2 wirkt er wie leergefegt. Hier stehen die Reisenden des City Night Line (CNL), so der Name des Nachtzuges der Deutschen Bahn, nach Prag. Angehängt ist außerdem ein sogenannter Kurswagen nach Warschau, der in Berlin abgekoppelt wird und von dort nach Polen weiterfährt. Wer in den falschen Zugteil einsteigt, landet im schlimmsten Fall im 600 Kilometer entfernten Warschau statt in Dresden.

Die Bahn bewirbt ihre Nachtzüge mit „Entspannt ankommen über Nacht“. Ich wage die Fahrt im Nachtzug, will zur Familie nach Jena über Dresden fahren. Erste Schwierigkeiten gibt es schon bei der Buchung. Der Zug wird erst nach Eingabe einer komplizierten Via-Verbindung im Internet überhaupt angezeigt.

Ich freue mich auf die Reise. Die Werbefotos der Bahn machen einen vielversprechenden Eindruck...

Ich bin müde und mir ist kalt. Die Verspätung von 25 Minuten wirkt wie eine Ewigkeit. Ich bin froh, als um 1.20 Uhr der Zug endlich einfährt. Schon die Wagen machen einen exotischen Eindruck. Neben Wagen der Deutschen Bahn kommen Zugteile der tschechischen und polnischen Eisenbahn zum Einsatz.

Obwohl ich eine Woche vor Abfahrt buche, sind fast alle Schlafwagen, die höchste Komfortkategorie, bereits ausgebucht. Ich weiche auf den „Schlafwagen deluxe“ aus – 1. Klasse also.

Anders als im Tagverkehr gibt es in jedem Wagen einen sogenannten Schlaf- oder Liegewagenbetreuer. Der nette Mann in Bahnuniform zeigt mir mein Abteil. Obwohl ich die höchste Komfortklasse gebucht habe, bin ich dort nicht allein. Ein Mitreisender liegt bereits im unteren Bett – er will nach Prag. Gegen Aufpreis bekommt man auch ein Abteil für sich. Paare können ein gemeinsames Abteil buchen.

Ich schlafe oben. Das Bett ist bequem, nur für meinen Koffer gibt es kaum Ablagefläche.

Vor dem Schlafengehen nutze ich die ans Abteil anschließende Dusche. In der 2. Klasse befinden sich Dusche und WC auf dem Gang, nur in der 1. Klasse sind sie im Abteil.

Mein Eindruck: Es musste Platz gespart werden. Die Dusche ist höchstens einen knappen Quadratmeter groß, unvorstellbar, wie sich dickere Reisende hier waschen wollen. Die Dusche erfüllt gleichzeitig die Funktion eines Wasserhahns, darunter befindet sich ein Waschbecken.

Wie im Hotel liegen Duschtuch und Shampoo bereit. Insgesamt macht die Kabine aber einen modernen und sauberen Eindruck.

Ich lege mich schlafen und schaukele langsam durch die Nacht. Den ersten Ausstiegshalt Berlin um 4.22 Uhr verschlafe ich.

Pünktlich um 6.35 Uhr – eine halbe Stunde vor Dresden – reißt mich der Wecker aus dem Schlaf. Im Nebenabteil hat der Schlafwagenbetreuer mein Frühstück hergerichtet, das im Fahrpreis enthalten ist. Wer hier ein Buffet wie im Hotel erwartet, irrt. Zwei Scheiben Brot, zwei Brötchen, Marmelade und Leberwurst, dazu eine Tasse Kaffee.

Mit einem reizvollen Blick auf die neben der Bahnstrecke verlaufende Elbe beginne ich meinen Tag.

Pünktlich erreiche ich Dresden. Von hier aus geht es nun, mehr oder weniger ausgeschlafen weiter Richtung Jena. Das erste Fazit ist positiv: Das Bett war bequem und ich habe wirklich geschlafen.

Eine Woche später wiederhole ich mein Experiment – dieses Mal im deutlich preisgünstigeren Liegewagen. Hier teilt man sich ein Abteil mit bis zu fünf Mitreisenden.

Der günstige Preis von nur 21 Euro Zuschlag heißt eingeschränkter Komfort: Im Liegewagenabteil teilt man sich ein Abteil mit bis zu fünf Mitreisenden. Ich habe Glück: Trotz der sechs Liegen ist mit mir nur ein weiterer Reisender im Abteil. Im Gegensatz zum modernen Schlafwagen wirken die Liegewagen alt und schlecht isoliert – der laute Zug ist deutlich zu hören.

Mein Mitfahrer verzichtet aufs Schlafen und liest lieber Zeitung. Eine Dusche gibt es im Liegewagen nicht, stattdessen eine Toilette und ein Waschbecken auf dem Gang. Überraschend: Nur fünf Liegewagenabteile sind überhaupt belegt, ein weiterer Wagen ist komplett leer.

Ab dem Fahrplanwechsel werden die Liegewagen nur noch mit fünf Reisenden belegt um auf einer Liege Platz für Gepäck zu haben.

Die nur 1,60 Meter langen Liegen sind für meine 1,73 Meter Körpergröße eindeutig zu klein. Schlafen fällt schwer, mehr als Ruhen gelingt in der Nacht nicht. Frühstück gibt es nicht, und wirklich ausgeruht komme ich in Dresden auch nicht an.

Fazit: Der Liegewagen eignet sich nur für Reisende mit festen Schlaf. Wer wirklich ausgeschlafen ankommen will, investiert den Aufpreis für den Schlafwagen.

Ab dem Fahrplanwechsel verkehrt der Nachtzug ab Bielefeld eine knappe Stunde 
später, um 1.24 Uhr, und hält auch in Gütersloh. Ankunft in Dresden ist dann kurz vor 9 Uhr. Um Kosten einzusparen wird der Nachtzug in Berlin künftig 
an einen Eurocity-Zug gekoppelt - dadurch die spätere Abfahrt und Ankunft.

Komfortklassen im Nachtzug

  • Sitzwagen: IC-Zug, Fahrschein 2. Kl. + 4,50 Euro
  • Liegewagen: vier oder sechs Liegen im Abteil ohne Frühstück, WC im Gang, Fahrschein 2. Kl. + 21 Euro (6er)/31 Euro (4er, entfällt ab 14. Dez.)
  • Schlafwagen: ein oder zwei Betten im Abteil, inkl. Frühstück, Fahrschein 2. Kl. + 66 Euro (2er-Abteil), +107 Euro (1er-Abteil)
  • Schlafwagen deluxe: mit Dusche und WC im Abteil, Fahrschein 1. Kl. + 66 Euro (2er), + 107 Euro (1er)

Impressum

Meine Fahrt im Nachtzug der Bahn
  1. Section 1
  2. Section 2
  3. Section 3
  4. Section 4
  5. Section 5
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  7. Section 7
  8. Section 8
  9. Section 9
  10. Section 10