Kein Sport ohne Ehrenamt

Gesichter aus dem Lübbecker Land

Neue Westfälische

Das Ehrenamt befindet sich in einer Umbruchphase. Vor allem im Sport. Die alten Strukturen funktionieren nicht mehr, der immer höher werdende Altersdurchschitt in den Vorständen lässt die Alarmglocken läuten. Manche Sportvereine haben den Schritt raus aus dem Altbewährten schon geschafft, andere scheitern noch an dieser Hürde.

Unter den 5.000 Sportvereinen im Kreis Minden-Lübbecke befinden sich auch viele, die ihren Sitz im Einzugsgebiet der Gemeinden Lübbecke, Espelkamp, Rahden, Stemwede, Hüllhorst und Preußisch Oldendorf haben. Das Spektrum ist breit: Tanzen, Schwimmen, Fußball, Handball, Tennis - für jeden ist etwas dabei. So unterschiedlich wie die Sportarten, sind auch die Mitgliederzahlen. Mal hat ein Verein längst die Tausender-Marke geknackt, mal erreicht er nicht die Einhundert.

Doch eins haben die Vereine gemeinsam: Ohne die Ehrenamtlichen würden sie nicht existieren. Egal ob Übungsleiter, Trainer, Helfer oder Vorstandsmitglied, sie alle investieren ihre freie Zeit in die Vereinsarbeit. Die meisten bleiben ihrem Verein über Jahre, wenn nicht Jahrzehnte hinweg verbunden.

Wenn Sie grob überschlagen, dann hat jeder Verein mindestens 12 bis 15 Leute, die ehrenamtlich tätig sind“, stellt Helmut Schemmann, Geschäftsführer des Kreissportbundes, die Situation dar. Er schätzt die Anzahl der Ehrenamtlichen im Kreis auf fast 500.

Schemmann: „Eins ist Fakt, der Sport ist der größte Ehrenamtsbereich.“ Dass es immer schwieriger werde Posten mit neuen Leuten zu besetzen, sei vor allem ein großes Sportproblem. „Da gibt es eben die satzungsgebundenen Ehrenämter. Das bedeutet, dass man nicht nur für ein Jahr oder ein halbes, sondern für mehrere Jahre einwilligt dieses Amt auszuführen“, erklärt der Diplom-Sportlehrer.  Das führe zu Problemen und erfordere eine bestimmte Art der Aus- und Fortbildung. Das scheuen viele Interessierte.

„Die Jugend möchte sich engagieren“, sagt er. Der Zulauf in Lehrgängen für junge Menschen in diesem Bereich sei groß. Die Problematik liege jedoch genau zwischen den satzungsgebundenen Ehrenämtern und den motivierten Jugendlichen. Was fehlt, sei quasi das passende Scharnier. Der Alltag eines Jugendlichen oder jungen Erwachsenen lasse sich kaum mit dieser Art der freiwilligen Arbeit verbinden.

“Was passiert, wenn ich ein Studium oder eine Ausbildung beginne? Wie kann ich das dann lösen ohne ’verstoßen’ zu werden?”, das seien Fragen, die die angehenden Ehrenamtler hemmten. Mit der Vorstellung, über einen gewissen Zeitraum hinweg, zum Beispiel für ein Jahr oder ein halbes Jahr, eine Position zu bekleiden oder spezielle Aufgaben zu übernehmen, können sich viele anfreunden. Mit mehreren Jahren jedoch nicht.

Andere Fragen seien es zum Beispiel bei Müttern, Vätern und Vollzeitbeschäftigten, aber das Problem bleibe dasselbe. Für drei oder mehr Jahre für einen Bereich neben seinem eigentlichen Privatleben zuständig zu sein, ist für viele eine zu große Verpflichtung.

Schemmann: „Die Herausforderung des Ehrenamtes ist jetzt, den Schritt weg vom Herrscherprinzip hin zum Ressortprinzip zu schaffen.“ Dabei gehe es darum, ein breites Vorstandsteam aufzustellen. Es müsse vom einen Vorstand Finanzen bis hin zu einem Zuständigen für das Mitarbeitermanagement insgesamt mehr Posten geben. Aufgabenbereiche müssten kleiner werden und spezialisierter werden. Zu viele Aufgaben auf den Schultern einer Person abzulegen, sei nicht mehr ohne Weiteres möglich. Fazit: Mehr Leute und weniger Aufgaben führen zur Entlastung des Einzelnen.

Des Weiteren regt er an, in Vereinen ab 1.000 Mitgliedern über Möglichkeiten der hauptamtlichen Unterstützung nachzudenken. Jemanden als “Hauptamtlichen” in einem Verein zu haben, bedeute, dass er als Angestellter tätig ist. Ob auf 450 Euro Basis oder in Vollzeit, mit einer festen Geschäftsstelle oder ohne, hänge vom Verein ab.

Der oder die Hauptamtliche wird zum Beispiel dafür eingestellt, sich um die Organisation des Vereins zu kümmern. Mailverkehr, Kontakt und Kommunikation zu Sportlern: Er ist quasi ein fester Ansprechpartner. Und das nicht nur nebenher.

Rechtlich gesehen werde der Verein dann zum Arbeitgebeber. “Man muss sich registrieren lassen und hat dann alle Rechte, aber auch Pflichten eines Arbeitgebers”, sagt Schemmann. “Das wird zunehmen, aber das benötigt auch ein Umdenken in den Vereinen”, ist sich Schemmann sicher. Vorteile hätte es allemal: Ehrenamtliche könnten entlastet werden. 

Peter Hunke trägt mittlerweile den Titel “Ehrenvorsitzender”. Ab 1999 war er Vorsitzender des Tischtennisvereins Lübbecke (TTVL), zwischen 1974 und 1988 sogar schon Sportwart. Über vier Jahrzehnte also ein waschechter Ehrenamtlicher. Anfang des Jahres hat er dann aber einen Schlussstrich gezogen und “Platz für einen Jüngeren” gemacht. „Wie viel Zeit genau jeder investiert, kann man gar nicht sagen“, sagt Peter Hunke und lacht. Hinter ihm baut eine Hand voll Jugendlicher zwei Tischtennisplatten in der Sporthalle der Stadtschule auf.

Ali Muhammad Chaudry steht neben seinem Vorgänger. Er ist erst 20 Jahre alt, spricht von seinem Verein aber wie jemand, der schon sehr lange dabei ist.

„Es war schwierig, einen Vorsitzenden zu finden. Ich bin jetzt über 70 und wollte es abgeben“, berichtet Hunke. Verantwortliche für Teilbereiche zu finden, sei dagegen nicht so schwierig. Dann habe Ali sich zur Verfügung gestellt. „Ich fühle mich sicher durch die Unterstützung der anderen“, erklärt der 20-Jährige. Wichtig sei, so Hunke, dass man die Aufgaben auf viele Schultern verteilt. Immer wieder würden Jugendliche vom Verein auch Assistenztrainerlehrgänge machen. „Das Problem ist: Viele sind aktiv und sind dann weg. Das hat sich gewandelt.“

So langsam renke sich in dem Sportverein alles wieder ein. Ali: „Wir hatten eine Zeit, da haben wir alles zu zweit gemacht.“ Der Nachwuchs sei auch wieder beständig, nachdem sie mehr Werbung gemacht haben. Einige Eltern würden sich ebenfalls sehr engagieren. Ein Beispiel ist Pamela Tyderle. „Die Pamela hat mal gespielt und ist jetzt Mutter. Ihre Kinder spielen auch. Da habe ich sie einfach gefragt. Jetzt ist sie Trainerin“, sagt Ali.

Auch wenn die Trainingssituation der Tischtennisspieler momentan alles andere als gut sei - eine ihrer Sporthallen können sie zurzeit nicht nutzen - sie schlagen sich wacker. Jetzt fänden Punktspiele und Training teilweise einfach parallel in einer Halle statt. Aber auch das werde sich wieder ändern, sind sich die Ehrenamtlichen sicher.

Über personelle Probleme kann sich der Freestyle Dance Club vom TuSpo Rahden nicht beschweren. Wenn Trainingstag ist, dann platzt die Grundschulsporthalle aus allen Nähten. Kinder rennen durch die Gegend, in der Umkleide geben sich die Gruppen die Klinke in die Hand und aus der Halle tönt das nächste Lied. Werden dann noch Karten für die kommende  Tanzshow im Eingangsbereich verteilt, sind Trainerinnen und Betreuerinnen voll ausgelastet.

Stephanie Hiller ist Abteilungsleiterin des Dance Clubs. Mit ihren großen und kleinen Tänzern gehört sie zum Turn- und Sportverein Rahden. Allein in der Tanzssparte des Vereins kommen schon fast 250 Kinder und Jugendliche zusammen. Im vergangenen Jahr sind wieder 35 neue dazu gekommen. 21 Ehrenamtliche managen die vielen Tanzstunden.

Immer mittwochs und freitags sind zwei Sporthallen für die Tänzer reserviert. Und das von 14 bis 19 Uhr. Fünf Stunden am Stück geht es dort rund.

Neben dem Training hat Stephanie Hiller an einem Freitag ein bisschen Zeit: “Man bereitet sich zuhause vor, denkt sich Schritte und Choreografien aus und schneidet vielleicht noch Musik zusammen. Eine Stunde gutes Tanztraining vorzubreiten dauert mindestens auch eine Stunde, wenn nicht noch ein bisschen länger”, sagt sie über die Trainertätigkeit, während sie auf einer Bank in der Umkleidekabine sitzt.

Mit vorbereiteten Plan im Kopf geht es dann in die Halle. Erst kommt das Warm-up – “meine eigenen Kinder habe ich dann meistens auch noch dabei” – und danach werden die Choreos durchgegangen. “Jeder Trainer macht das so, wie er es für richtig hält”, sagt Hiller.

Ein Mädchen und ein Junge platzen in die Unterhaltung: “Mama, ich bin ganz schön kaputt”, sagt der Junge. “Das ist doch gut. Wartete ihr draußen auf mich?”, fragt Stephanie Hiller und schon sind die beiden wieder weg.

Was das Trainieren angehe, sei sie sehr liberal: “Jeder der das ausprobieren möchte oder einfach einen Tanz beibringen möchte, kann das machen.” Tanzen sei kein Risikosport. Nach und nach könne man Trainerausbildungen und -fortbildungen machen. Darüber hinaus gebe es interne Schulungen.

Beruflich ist die zweifache Mutter in einer ganz anderen Welt unterwegs: Sie ist Chemielaborantin. Seit 16 Jahren ist sie parallel zu Familie und Job beim Tanzen unterwegs, hat den Dance Club mit aufgebaut. Probleme, heute noch Nachwuchs für die ehrenamtlichen Posten zu bekommen, habe der Verein gar nicht. “Und das, obwohl es so gut wie keine Bezahlung gibt”, erklärt die Trainerin.

Junge Leute die sich engagieren wollen, gebe es genug. “Was wir brauchen ist Platz”, sagt sie. “Unsere Hallenzeiten sind unser größtes Problem. Jede Zeit die wir jetzt haben war ein Kampf. Im Sommer können wir auch nach draußen, jetzt im Winter ist es schwierig.”

“Wir haben zu wenig Hallenzeit für die vielen, vielen Kinder. Bei der Stadt sind wir damit gescheitert, den Samstag als Trainingszeit zu bekommen, obwohl die Hallen frei sind. Es ist einfach mal entschieden worden, dass die samstags nicht für Trainingszeiten frei gegeben sind. Das ist so eine Entscheidung an der jetzt nicht gerüttelt wird”, sagt sie und hebt etwas hilflos die Arme.

Schulzeiten spielen bei den Trainingszeiten natürlich auch eine Rolle: Der Unterricht daure immer länger und man müsse mit immer mehr Kindern in den Nachmittags- und Abendbereich rutschen. Freitags gehe das noch, weil dann oft früher Schluss wäre. Sie hofft, dass es zum Thema “Samstagstraining” vielleicht doch noch ein Einlenken gibt.

Der SV Neptun Lübbecke wird vom Ehrenamt getragen. Alle Mitarbeiter des Vereins in diesem Bereich machen die Arbeit freiwillig. Insgesamt stehen dem Verein immer ungefähr 20 Übungsleiter für die acht Gruppen zur Verfügung. Die Zahl der Mitglieder gibt Jerome Haake (28) im Moment mit etwa 300 an. Von denen wären 80 bis 100 Leute eigentlich immer im Bad während der Trainingszeiten.

Haake selbst ist in das Ehrenamt reingewachsen. 2003 sei er in den Verein eingetreten und ihm seitdem treu geblieben. Nun ist er sportlicher Leiter der Wettkampfschwimmer. Der Verein sei so etwas wie eine Familie für ihn und nicht mehr aus seinem Leben wegzudenken.

Das größte Problem mit dem der Verein laut Haake zu kämpfen hat, ist die Umstellung der Schulen auf G8. Schüler hätten immer weniger Zeit und immer mehr Schulstress. Die Jugend im Verein breche weg. Dabei seien die Vereine auf die Jugendlichen angewiesen.

Für die Zukunft wünscht sich der 28-jährige das weitere Bestehen des Vereins. Zudem hoffe er auf eine baldige Umstellung zurück zu G9, sagt Haake lächelnd.

Alles in allem befinde der Verein sich in einer guten Situation. „Außer dass wir mit der Grippewelle zu kämpfen haben, können wir uns nicht beklagen.“

Im Vorstand wären die Wege kurz, man vertraue sich und es gebe eine gute Zusammenarbeit, berichtet Jerome Haake, für den der SV-Neptun, neben dem BSC, sein Zuhause ist. Er seit total glücklich dort, sagt Jerome Haake.

Sein Alter sieht man ihm nicht an. In vielen Fällen ist das zwar nur eine Floskel, aber dass Reinhold Linse schon 71 ist, könne man für einen Scherz halten. In der Kampfsportabteilung des Turnvereins Grüne Eiche ist er schon seit zehn Jahren nicht mehr aktiv, zutrauen würde man es ihm aber noch. Er gehe jetzt lieber ins Fitnessstudio und zum Joggen, sagt der Stockhauser Sportler, der in einem Sessel in seinem Wohnzimmer sitzt. Vorsitzender des TV Grüne Eiche Stockhausen sei er nicht mehr: “Ich habe aufgehört”. Eigentlich. Denn loslassen kann er seinen Verein nicht.

Die Veränderungen in der Vereinsstruktur seien natürlich dramatisch: Früher sei der Sportverein im Dorf das einzige gewesen, dann kamen andere Gemeinschaften dazu, Heimatvereine seien gegründet worden. Die Angebote seien mehr geworden. Der Wirkungskreis des Vereins sei immer spezieller geworden und so auch die Aufgaben der Übungsleiter und Helfer. 20 rein ehrenamtlicher Helfer, Betreuer und Übungsleiter halten den Verein heute “am Laufen”.

Seit über zwei Jahrzehnten habe der Verein immer um die 300 Mitglieder, davon sind 200 aktiv, so Linse. Dazu kämen Eltern, Großeltern und Verwandte, denn der Turnverein ist einer der ältesten Vereine in der Region. Gegründet wurde er 1912. Vor über 100 Jahren. In den vergangenen Jahrzehnten hätten sich ganze Familien an den Verein gebunden. Kinder seien schon im Säuglingsalter angemeldet worden und deren Kinder seien ebenfalls in der Gemeinschaft der Sportler aufgewachsen.

Eine Bindung über Traditionen hinweg. Zeitungsausschnitte, Bilder und andere Erinnerungen an seine Jahre im Verein sammelt Reinhold Linse in zwei Ordnern. Dass das in der Zukunft so bleiben wird, glaubt Reinhold Linse nicht: “Es fehlt heutzutage in den meisten Vereinen dieses Wir-Gefühl. Dieses ‘Ich-bin-in-dem-Verein’. Es gibt noch das Gefühl ‘Ich-bin-in-der-Gruppe’, wie bei unserer Teakwondo-Gruppe.”

Linse: “Generell ist es so: Die Leute, die wirklich Verantwortung übernehmen, sind Ausnahmen. Solange ich keine Verantwortung übernehmen muss, bin ich dabei.” Suche er nach Helfern für eine Veranstaltungen seien dann aber plötzlich alle da. Das sei schon verrückt. Fast sechs Jahre lang habe er nach jemanden gesucht, der seinen Posten übernimmt. Neue Leute würden ja auch neue Idee mitbringen und das sei für einen Verein sehr wichtig, um sich  weiterzuentwickeln.

Der Vorstand bestehe heute aus “so halbe, halbe”. Die eine Hälfte habe schon die 60 Jahre erreicht, die andere Hälfte bestehe aus Jüngeren, Studenten und Schülern, doch die seien oft unterwegs.

Das Grundproblem mit dem Ehrenamt sieht der ehemalige Taekwondo-Trainer noch an einem anderen Punkt: “Ohne Ehrenamt geht gar nichts. Das wissen wir alle, das wissen auch die Politiker. Das sagen sie ja auch immer. Das ist aber auch alles. Zum Glück wird die Akzeptanz der Ehrenamtlichen anscheinend etwas größer. Man kümmert sich ein bisschend darum.” Das sei ein Thema, über das er sich wahnsinnig aufregen könnte, sagt er. Es gehe nicht ums Bezahlen, die ehrenamtliche Arbeit müsse aber anerkannt werden und nicht als selbstverständlich hingenommen werden. Egal auf welche Weise.

Als er in den Ort Stockhausen “eingeheiratet” habe, habe ihn mal jemand mit zum Sport genommen. “Das war was ganz anderes als ich kannte. Die hatten zum Beispiel eine sehr aktive Hausfrauen-Gruppe.” Beim Herrensport seien damals drei Leute dabei gewesen,  erinnert er sich an die vergangene Zeit und seinen damaligen Übungsleiter.

Als der nicht mehr aktiv sein wollte, fragte man Reinhold Linse. “Ich hab dann Kindersport gemacht.  Ich selber hab mich für asiatischen Kampfsport interessiert.” Mit seinem Arbeitskollegen Heinz habe er die Taekwondo-Abteilung des Vereins gegründet. Doch das leistungsorierntierte Trainieren sei nie sein Ding gewesen und so habe der Verein bald einen anderen Kampfsport-Trainer engagiert.

Für ihn sei sein Verein viel mehr als nur eine Gruppe: “Da hängt die ganze Nachbarschaft dran.”

Den Sprung in die sportliche Zukunft scheint die HSG Hüllhorst schon geschafft zu haben: Über 20 Jugendmannschaften trainieren in der Spielgemeinschaft. Viele davon in überkreislichen Ligen. Was viele nicht wissen: Hinter dem Namen HSG Hüllhorst stehen zwei Stammvereine, in denen die Mannschaften auch jeweils immer noch organisiert sind. Das birgt viele Vorteile. Probleme gibt es aber trotzdem.

“Viele Leute sind heutzutage zeitlich gesplittet. Das Arbeiten von morgens 7 bis nachmittags 15 oder 16 Uhr, wo gibt es das denn noch?  Und das mit dem Ehrenamt oder Trainingszeiten voreinander zu kriegen, ist verflixt schwierig”, sagt Wilhelm Henke. Er ist Leiter der Spielgemeinschaft. Zusammen mit Jugendwart Marco Stremming sitzt er an einem Tisch in der “7-Meter-Stube” in der Sporthalle an der Gesamtschule.

Früher habe es in jeder kleineren Ortschaft eigene Handballvereine gegeben. Irgendwann konzentrierte sich der Herrenbereich beim SV Schnathorst und die Frauen schlossen sich im SV Hüllhorst-Oberbauerschaft zusammen. “Das weiß heute so gut wie niemand mehr”, wirft Marco Stremming ein.

Henke: “Das hat heute noch damit zu tun, dass wir hier so viele Jugendmannschaften haben und dass wir, auch ohne jetzt zu übertreiben, leistungsstark spielen. Weil hier alles zusammenkommt.” Aus den beiden “Muttervereinen” entstand die HSG. Das war 1989. “Der ‘Vereinsmeier’ hat sich da nicht durchgesetzt”, sagt Wilhelm Henke. Heute gebe es fast 300 aktive Kinder und Jugendliche.

Die damaligen Verantwortlichen handelten in weiser Voraussicht: Grundlage des Zusammenschlusses sei nicht das Problem gewesen, dass man zu wenige Kinder in den Jugendmannschaften gehabt habe, sondern der Wunsch, eine solide Basis zu schaffen, um Leistungshandball zu bieten.

Die ersten Jahre habe der eigene Nachwuchs dann auch die Erfolge der Senioren gesichert, doch seit sechs, sieben Jahren lasse das nach. “Aus dem Jugendbereich kommt nicht mehr so viel nach”, so Stremming.

Die HSG versucht dem mit vielen Aktionen mit Grundschulkindern entgegenzuwirken.Bei diesen Aktionen unterstützen natürlich auch die knapp 100 Ehrenamtlichen des Vereins. Darunter seien 30 Trainer. Wobei man die nicht einfach eins zu eins auf eine Mannschaft umrechnen könne: “Meistens sind es so bis zu vier Leuten in einem Team”, sagt Marco Stremming.

Als Entschädigung gebe es auch bei der HSG nur die “üblichen” Übungsleiterpauschalen. Natürlich bekämen die Trainer der ersten Mannschaften da etwas mehr, sagt Marco Stremming. “Aber dafür bekommen die Spieler bis hoch in den Seniorenbereich absolut nichts”, stellt Henke dem gegenüber.

Dadurch müsse man zwar Abstriche im Spielerischen machen, da einige gute Spieler dann doch wechselten, wenn sie ein finaziell attraktives Angebot bekämen würde, aber auf der anderen Seite schaffe diese Haltung auch eine besondere Atmosphäre. Stremming: “Die Leute, die bei uns in die Halle kommen, wissen genau was hier los ist. Die Atmosphäre in der Halle ist auch dann top, wenn es nicht so gut läuft.”

Worauf die Hüllhorster in ihrem Verein setzen ist diese Identifikation. Das Vereinsklima binde Menschen oft auch für längere Zeit an den Verein. “Wir haben fast alle Positionen, die man ausgewiesen hat, besetzt”, erklärt Wilhelm Henke. Nur ein paar seien seit einiger Zeit vakant. Das liege vor allem an der Menge an Posten, die abgedeckt werden müsse.

Marco Stremming sieht in dieser Entwicklung ein gesamtgesellschaftliches Problem: “Die Belastbarkeit aber auch die Bereitschaft des Einzelnen ist nicht mehr so hoch. So habe ich zumindest den Eindruck.”

“In den nächsten zehn, fünfzehn Jahren werden wir sehr große Probleme kriegen, überhaupt trainermäßig was hinzukriegen”, befürchtet Marco Stremming. Die Tendenzen sehe man ja jetzt schon, so Wilhelm Henke, diese Probleme hätten andere Vereine ja auch. Er warnt in Bezug auf das Finden von neuen Ehrenamtlern aber davor, diese dann sofort zu bedrängen und zu überlasten: “Dann wollen alle, dass derjenige dann am besten gleich alles macht.” “Das funktioniert nicht”, so Henke.

Womit die beiden Handballer gute Erfahrungen gemacht haben, ist, ihre Handballer schon in jungen Jahren in bestimmten Bereichen auszubilden und langsam an das Ehrenamt heranzuführen und sie darauf vorzubereiten, wie zum Beispiel durch Juniortrainerlehrgänge und das “Edi”-Programm für junge Schiedsrichter.

Sein Engagement im Verein habe er eigenlich immer auch als Chance angesehen, sich beruflich weiterzuentwickeln, erzählt Marco Stremming. Vieles von dem, was er auf “der Platte” gelernt hat, kann er in seinem Alltag gut gebrauchen. “Das muss man noch viel mehr herausstellen”, sagt Stremming. Das sei ein wichtiger Punkt, wenn man neue Ehrenamtliche gewinnen möchte.

Marco Stremming hat zur Verbesserung der Gesamtsituation im Verein aber noch ein Anliegen: “Wir brauchen einen Mitarbeitermanager.” Man brauche bis zu drei Leute, die sich um nichts Anderes kümmern als um die Mitarbeiter. Die seien dann auch dafür verantwortlich, wann und wo wieder jemand gebraucht wird. “Das haben wir bis jetzt in der Form noch nicht hinbekommen, aber das würde uns sehr weiterhelfen.”


Über die Anzahl der Ehrenamtlichen müssen Bernd Wacker, Vorsitzender des BSC Blasheim, und Trainer Achim Haver erst mal nachdenken. Da gebe es die Trainer, die Platzwarte, die Betreuer und, und, und. “Sagen wir mal rund 50”, kommt Haver zu einem Fazit. Die beiden stehen vor dem kleinen Kunstrasenplatz in Blasheim. Hinter ihnen trainiert gerade die A-Jugend. “Gerade bei den Jugendmannschaften ist es natürlich schwierig, die Trainerposten jeden Sommer wieder alle zu besetzen”, sagt Bernd Wacker. Manche hören wieder auf, andere, wie Achim Haver, sind schon seit 25 Jahren aktiv. “Seit 1990 mit einer Unterbrechung zum Studium”, sagt Haver lachend.

Da es so viele Mitglieder (circa 1.100 im gesamten Verein) seien, habe sich der Verein in seiner Struktur neu aufgestellt. “Wir haben zwei starke Abteilungen. Das sind Fußball und Turnen”, sagt Wacker. Jede Abteilung verwalte sich sozusagen selbst und es gebe ein Vorstandsteam für den Gesamtverein. Dazwischen laufe alles ganz kleinteilig ab. Jede Jugendabteilung habe zum Beispiel ihren Jugendwart als Vertreter, und dann gebe es wieder jemanden, der für alle A-Jugenden zuständig sei.

Trainingseinheit, Trainingsvorbereitung, ein Spiel in der Woche und der Austausch mit anderen am Platz, all das berechnet Achim Haver mit bis zu zehn Stunden in der Woche. “Ein kleiner unbezahlter Nebenjob”, fasst er zusammen.

Viel laufe in den Mannschaften und Trainerteams auch über Whatsapp ab. Im Abteilungsvorstand werden zum Austausch von Informationen eher E-Mails versand.

“Ich würde mir wünschen, dass viele Eltern ein bisschen mehr Verständnis aufbringen würden, dass wir Trainer das doch alles ehrenamtlich machen. Die Eltern werden immer fordernder. Die Kinder wollen eigenlich nur Fußball spielen, wollen Spaß dabei haben. Von Eltern wird da teilweise sehr viel Druck erzeugt und viele sind überehrgeizig”, sagt Haver. Von diesen Erziehungsberechtigten wünsche er sich mehr Zurückhaltung und mehr Vertrauen gegenüber den Trainern.

Im Monat zahle ein Kind im Verein ungefähr 4,50 Euro, die Erwartungshalte der Eltern sei aber riesig.

Was die beiden Fußballer noch stört: “Jeden Sommer stehen wir wieder vor dem Problem, dass wir nicht genügen Trainer haben. Teilweise kommt es dann zu Doppelbelastungen, einer trainiert zwei Mannschaften”, berichtet Wacker. Das sei dann schwierig. Oft versuchen sie, Jugendliche zu motivieren, doch die gehen häufig zum Studium weg.

“Ich glaube, das ist ein gesellschaftliches Problem. Das Ehrenamt wird so nicht genügend wertgeschätzt und zum andern haben die Leute viele andere Dinge um die Ohren. Viele kümmern sich lieber um sich selber”, nennt Haver zwei Gründe für die fehlenden Helfer. Trotzdem versuchen er und Wacker am Ende doch wieder auf die “Vereinstreue” der eigenen Spieler zu setzen. Noch funktioniere das.

Kein Sport ohne Ehrenamt
  1. Was machen eigentlich die Ehrenamtlichen?
  2. Im Gespräch mit einem Experten
  3. 1. Den Stab weitergeben
  4. 2. Viele Kinder, aber kein Platz
  5. 3. Wie eine Familie
  6. 4. Das fehlende Wir-Gefühl
  7. 5. Starke Aufstellung
  8. 6. Neue Struktur, alte Werte